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Kirchenkritik bei Google zwischen Andacht und Ärger

Von unbequemen Bänken bis zu „vergammelt“ – was Google-Nutzer über Kirchen schreiben, ist oft kurios, manchmal liebevoll.

Bei Google-Bewertungen wird viel gemeckert, oft genug aber findet sich großes Lob.
Bei Google-Bewertungen wird viel gemeckert, oft genug aber findet sich großes Lob.Erstellt von ChatGPT

„Bänke sind recht unbequem, aber vermutlich authentisch. Die Veranstaltung war recht kurzweilig.“ Das schreibt Google-Nutzer Gordian S. über seinen Besuch in der Inselkirche von Norderney. „War enttäuscht“, heißt es von Andrea H. über den Schleswiger Dom. Warum sie das ist, erfahren die Lesenden leider nicht.

Die Zeilen scheinen überflüssig zu sein, stehen aber stellvertretend für ein weit verbreitetes Phänomen: Menschen geben gerne Bewertungen ab – oder lassen sich dazu bringen, Bewertungen abzugeben. Egal, ob sie einen Anruf in einem Callcenter gemacht haben, bei einem Online-Versand etwas gekauft oder an einem Flughafen die Toiletten besucht haben: Sie werden dazu erzogen, Bewertende zu sein. Auch für Kirchen.

Meckern und Sterne sammeln

Die Gründe sind vielfältig. Der Kirchenbesucher auf Norderney hat eine Auszeichnung als Local Guide, die bekommt man nur, wenn man viele Bewertungen abgibt. Also schreibt er wohl gelangweilt das Offensichtliche. Schließlich ließe sich das Gleiche über sehr viele andere Kirchen sagen, bequeme Plüschsofas gehören nicht zur Standardausstattung von Kirchen.

Ein wichtiger Phänotyp unter Bewertenden sind die Meckernden. Sie wollen sich einmal Luft verschaffen, zu Gehör kommen. Mal sagen, was Sache ist. „Mir zu dunkel“, heißt es von Marko W. über die Marktkirche in Hannover, der gleich noch einen Benimmkurs für das Personal empfiehlt und sich beschwert, dass er keine Kerze für seine Sammlung daheim mitnehmen konnte. Dass sich Rezensenten vertun und Marktkirche und den Pizzaverkäufer davor verwechseln, sorgt wenigstens für interessante Beschreibungen: „Er hatte mit dem Spachtel die Zwischenräume der Schalter und des Temperatur Einstellrädchen gekratzt“, sehr unhygienisch, findet Angel V.

Zu laute Musik und zu dunkle Räume

Gerade Kirchen in touristischen Gegenden scheinen besonders kritisch beäugt zu werden. Zwei Sterne gibt Local Guide Josef F. der Kirche in Keitum auf Sylt. Die Begründung: „war geschlossen“. Wortreicher lässt sich Tobias M. über St. Johannis auf Föhr aus, ihm ist vor allem der gedruckte Kirchenführer ein Dorn im Auge. Der bestehe zu „85% aus Fließtext in sehr kleiner Schriftgröße“. Die Bilder seien zu groß, ihm fehlten Inhalts- und Quellenverzeichnis. An der Kirche selbst passen ihm weder Lampen, Fenster noch der Innenraum an sich: „vergammelt“. Die Orgel sei nicht historisch und somit nicht von Bedeutung, nur der Seitenaltar findet Gnade. Er sei „recht schön“. Das rettet aber auch nicht seine Gesamtwertung mit dem Fazit „SCHADE“.

Da kann sich die St.-Johannis-Kirche in Kühlungsborn fast freuen über ein lapidares „Kleine Kirche, nichts Besonderes“. Auch zur Dreieinigkeitskirche in Rhauderfehn gibt es eher kurze Einträge „Lustiger Turm, unbequeme Bänke“, schreibt Ruven, während LeGudäar wenigstens ehrlich sagt: „Zu religiösen Gebäuden habe ich keine Meinung.“ Warum er oder sie das allerdings schreiben musste, erschließt sich nicht. Allerdings gibt es auch unter Artikeln in Onlinemedien oft genug den Kommentar „interessiert mich nicht“.

Die Ruhe wird geschätzt

Die überwiegende Mehrheit der Rezensionen aber liest sich positiv. Die gescholtene Marktkirche zum Beispiel hat fast 4000 Bewertungen: „Ein Ort der Ruhe & Einkehr im lauten Hannover. Am Eingang saß eine freundliche ehrenamtliche Dame, die informiert“, lobt Aref F.
Thomas E. schreitet zur Ehrenrettung von St. Johannis auf Föhr und freut sich über die Kirche mit „interessantem angegliederten Friedhof, dessen uralte Grabsteine von Geburt, Leben und Wirken sowie vom Tod erzählen“. Auch „Parkmöglichkeiten sind in der Nähe zu finden“.
Und immer wieder finden sich freundliche und liebevolle Beobachtungen im Rezensionsdschungel. „Imposante, kleine, beeindruckende Seemannskirche an der Ostsee. Hier verbirgt sich eine spannende Geschichte“, heißt es über die Seemannskirche in Prerow. Wer möchte da nicht einmal hineinschauen.