Der Evangelische Kirchenkreis Herford gewährt einer Journalistin aus Afghanistan Kirchenasyl. Der Frau drohe die Überstellung durch die deutschen Ausländerbehörden nach Polen, teilte der Kirchenkreis mit. Polen sei bekannt dafür, dass es – anders als Deutschland – in das von den Taliban beherrschte Land abschiebe. Die 21-Jährige ist in Afghanistan als Frau, als Journalistin und als Angehörige einer verfolgten ethnischen Gruppe dreifach bedroht, wie der Kirchenkreis erklärte.
Die Frau, die zur schiitischen Minderheit der Hazara gehört, hatte Afghanistan den Angaben zufolge bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban als Studentin verlassen. Sie studierte in der Türkei Journalismus und kam über das Erasmus-Programm für ein Auslandssemester nach Polen, war also legal in die Europäische Union eingereist. Nach Ablauf ihres Studierendenvisums habe sie ihren Asylantrag in Deutschland gestellt, weil ihr die polnische Abschiebepraxis bekannt gewesen sei, berichtet der Kirchenkreis Herford.
Der Asylantrag der Journalistin gilt als sogenannter Dublin-Fall. Nach der Dublin-Regel sollen Asylanträge Geflüchteter in dem Land gestellt und bearbeitet werden, das ihre erste Station ein Europa war. Deutschland müsste demnach die Asylbewerberin nach Polen zurückführen. Gelingt dies innerhalb eines halben Jahres nicht, geht die Zuständigkeit für die Prüfung des Falls automatisch zu den deutschen Behörden über.
Mit dem Kirchenasyl solle diese Sechs-Monats-Frist überbrückt werden, sagte der Leiter des Migrationsfachdienstes des Diakonischen Werkes Herfords, Agim Ibishi. Untergebracht sei die Asylbewerberin in einer kircheneigenen Wohnung. Ihr Umzug aus einer Zentralen Unterbringungseinrichtung in das Kirchenasyl sei den zuständigen Behörden mitgeteilt worden.
Bei der Gewährung eines Kirchenasyls spielen laut Ibishi die Erfolgsaussichten ebenso eine Rolle wie die Unterstützung durch eine Kirchengemeinde. Er gehe davon aus, dass die Chancen in Deutschland gut stünden. Durch die legale Einreise mit dem Studierendenvisum lägen alle nötigen Papiere vor. Auch die lebensbedrohende Verfolgung durch die Taliban lasse sich belegen, so der Migrationsexperte.
Die 21-Jährige hatte sich nach eigenen Angaben schon in der Türkei gegen die Taliban engagiert und für die Menschenrechte von Frauen in Afghanistan eingesetzt, Beiträge in Zeitungen veröffentlicht und in einem Frauenchor gesungen. Das alles wüssten auch die Taliban, sagte die Journalistin. Frauen und Mädchen aus der Volksgruppe der Hazara seien in Afghanistan zusätzlich von gezielter sexueller Gewalt durch die Taliban betroffen.