Seit Mitte Februar 2016 arbeitet er als Pfarrer in Westfalen: Christian Stephan aus der Evangelischen Kirche am La Plata zog mit Frau Maria und zwei kleinen Kindern für zwei Jahre nach Halle-Künsebeck in Ostwestfalen.
Der junge Pfarrer stammt aus einer Pfarrerfamilie mit deutschen Wurzeln, in der – wie in vielen Gemeinden seiner Kirche – auch noch deutsch gesprochen wird. Außerdem hatte er einst seine theologische Ausbildung in Süddeutschland begonnen. Die fast zwei Jahre am Seminar für Theologie, Jugend- und Gemeindepädagogik der Bahnauer Bruderschaft in Unterweissach machen sich auch in der Aussprache bis heute bemerkbar.
Nach der Rückkehr machte Stephan noch ein volles Theologiestudium an der Evangelischen Ökumenischen Fakultät in Buenos Aires. Der 34-jährige Argentinier ging als Pfarrer nach Paraguay, wo er durch die Jahre insgesamt sieben Predigtstellen betreute. Häufig lagen seine Gemeinden hunderte von Kilometern auseinander. Im Moment muss seine Gemeinde ohne Pfarrer zurechtkommen, denn es herrscht Pfarrermangel in der La Plata-Kirche, die sich über Argentinien, Paraguay und Uruguay erstreckt. Einmal im Monat kommt ein Kollege aus der drei Stunden entfernten Nachbargemeinde zum Gottesdienst. Kirsten Potz sprach mit Christian Stephan über seine Erfahrungen.
Worin bestehen die besonderen Herausforderungen in Paraguay?
Um sie zu verstehen, muss man die Geschichte des Landes kennen. Paraguay durchlitt 35 Jahre Militärdiktatur unter dem deutschstämmigen Alfredo Stroessner. Während dieser Zeit verschwanden Tausende, die dem Regime nicht passten. Die Verhältnisse besserten sich nicht wesentlich unter der ersten demokratisch gewählten Partei, da dieselben mächtigen Familien weiter die Politik bestimmten. Erst unter Präsident Lugo gab es ab 2008 eine kleine Besserung, doch der musste 2012 im Zusammenhang mit Landstreitigkeiten durch einen sehr gut geplanten Putsch gehen.
Wie ist die politische Lage jetzt?
Es gibt in unserem Land viele Dinge, die nicht okay sind. Nicht nur die Politiker, die ganze Gesellschaft ist korrupt. Es darf doch nicht sein, dass man auf Ämtern für ganz normale Dienstleistungen extra bezahlen muss, damit sie getan werden! Es ist auch nicht okay, wenn Richter reichen Familien zu Gefallen sind und die Anliegen von Kleinbauern verschleppen, so dass sie nicht zu ihrem Recht kommen.
Wie verhält sich die Kirche in dieser Situation?
Als Pfarrer sehe ich meine Aufgabe auch darin, die Menschen gegen Unrecht zu stärken. Wenn man sich aber klar positioniert und eine prophetische Stimme erhebt, setzt man sich zwischen alle Stühle und handelt sich Ärger ein, auch mit den Betuchten in der eigenen Gemeinde. Denn zu unseren Gemeinden gehören neben vielen Menschen in prekären Verhältnissen auch sehr reiche Leute.
Wer von außen kommt, sieht manches anders, vielleicht sogar klarer. Was fordert die Kirchen in Deutschland heraus?
Obwohl die Kirchen oft leer sind, ist ihre Stellung in der Gesellschaft noch stark. In Paraguay muss ich erklären, wer ich bin und was ein evangelischer Pfarrer ist. Hier muss ich mich nicht ständig gegen die katholische Kirche, gegen Pfingstkirchen und andere Freikirchen abgrenzen. Der Pfarrer ist immer noch gern gesehen, wird respektiert und ist auch auf kommunaler Ebene Gesprächspartner. Das muss man stärker nutzen. So viele Ehrenamtliche in den Gemeinden engagieren sich, nicht nur in der Flüchtlingsarbeit. Was würde passieren, wenn sie damit aufhörten? Damit kann man doch Druck auf die Politik machen.
Ein Beispiel?
Müsste man nicht lauter gegen Abschiebungen gut integrierter Menschen und endlos lange Bearbeitungszeiten von Asylanträgen protestieren, statt nur das System mit freiwilligem Engagement mitzutragen? Und nach innen: Die Kirche muss ihren Mitgliedern deutlicher zeigen, dass sie ihr wichtig sind, und zwar der mitten im Leben stehenden, die Welt gestaltenden Generation.
Was ist Ihnen in Deutschland noch aufgefallen?
Es gibt sehr viele Ausländer – aber fast niemand musste deswegen sein Leben ändern. Alle haben weiter ihre Wohnung, Schule, Ärzte. Man muss sich nur mit ein paar neuen Fragen auseinandersetzen. Beängstigend finde ich das Erstarken der Rechten, der AfD. Etwas sehr Positives: Die Menschen sind sehr offen und bereit, Menschen anderer Sprache und Herkunft zu helfen. Wir selbst haben jedenfalls nur gute Erfahrungen gemacht.
Was möchten Sie in der Zeit hier erreichen?
So viel wie möglich wahrnehmen und mitmachen, auch Fortbildungen. Meine Erfahrungen und Gesichtspunkte in der Arbeit mit meinen Kollegen und in der Gemeinde mitteilen. Natürlich stehe ich auch anderen Gemeinden in Westfalen zu verschiedenen Themen zur Verfügung.
• Wer Christian Stephan einladen möchte, erreicht ihn unter Telefon (0 52 01) 7 34 67 19, Handy 01 57 71 24 84 42 oder E-Mail ruedachata@gmx.de.