Unter dem Kommunismus führte die katholische Kirche im damals jugoslawischen Montenegro ein Schattendasein. Doch es gibt sie. Und sie schlägt Brücken über ethnische Grenzen.
Zugegeben: Eine Augenweide ist sie nicht gerade, die katholische Kirche von Podgorica. Kalter Beton, kaum Fenster, ein Glockenturm, der sich grau, wie ein alt gewordener Schokoriegel in den Himmel hebt. Eine Blüte brutalistischer Architektur. Doch mangels Alternativen versammeln sich Katholiken jeden Sonntag hier in der Herz-Jesu-Kathedrale – der einzigen katholischen Kirche in Montenegros Hauptstadt. Anders als das Gotteshaus im Plattenbau-Look, ist die Gemeinde bunt und lebendig.
Ja, meint Don Janez Mirtek: Natürlich mache es ihn stolz, der Hirte der einzigen katholischen Pfarrei weit und breit zu sein. Er gehört zu den Salesianern Don Boscos, die in den 1960er Jahren auf Wunsch des Bischofs in Montenegros Hauptstadt entsandt wurden. Hier betreiben sie heute eine Tagesschulstätte, bieten Computertraining, Sport, Koch- und Sprachkurse an. Besonders beliebt, erzählt Mirtek, seien die Deutschstunden; viele der Jugendlichen wollten einmal in Berlin oder München studieren.
Sprache – das ist ein eigenes Kapitel unter den etwa 2.000 Gemeindemitgliedern in Podgorica. Rund 85 Prozent seien ethnische Albaner, berichtet der Pfarrer. Dennoch finde der Schulunterricht auf Serbisch oder Montenegrinisch statt. Auch zu Hause sprechen albanische Eltern mit ihren Kindern kaum noch die Sprache ihrer Vorfahren. So wurde es inoffiziell zur Mission der Kirche, die albanische Sprache als Kulturschatz zu wahren und zu pflegen. Gottesdienste finden daher auf Albanisch und Kroatisch statt.
Montenegro ist ein Vielvölkerstaat – und das trotz seiner kleinen Einwohnerzahl von gut 600.000 Menschen: Ein Umstand, der sich laut Montenegro-Experte Konrad Clewing vom Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung auch in der katholischen Minderheit spiegele: “Das Zusammensein und Zusammengehen der beiden sprachlich-kulturellen Hintergründe Albanisch und Slawisch scheint dort ungewöhnlich gut gelebt zu werden und gut zu gelingen.”
Überhaupt sei die Gemeinde von Podgorica heute “bemerkenswert rege”, berichtet Clewing. Das sei ein Verdienst der Salesianer. Und mit einem Blick auf Montenegros Geschichte keine Selbstverständlichkeit, wie Don Simo Ljuljic, Generalvikar des Erzbistums Bar, erzählt: “Auch wenn das kommunistische Regime im ehemaligen Jugoslawien gegenüber der katholischen Kirche nicht so hart vorgegangen ist wie andernorts, hat es dennoch die Aktivitäten der Kirche eingeschränkt und die atheistische Propaganda in der Gesellschaft ausgeweitet.” Das sei auch heute noch sichtbar. “Es erklärt etwa, warum viele, insbesondere ältere Menschen, häufig nicht an den Gottesdiensten teilnehmen. Sie sind es nicht gewohnt.”
Auch Gemeindepfarrer Mirtek – ursprünglich aus Slowenien – erinnert sich an die Umtriebe des jugoslawischen Regimes: “Als ich 1992 hier war, herrschte Krieg in der Region. Es war ein schwieriges Leben mit der Inflation. Wenn wir von der Bank Dinar abhoben, mussten wir sie so schnell wie möglich in Deutsche Mark wechseln. Denn am nächsten Tag war das Geld nur noch die Hälfte wert.” Eine monatliche Rente vom Staat reichte aus, um ein Ei oder zehn subventionierte Laibe Brot zu kaufen. Viele lebten als Selbstversorger oder von Hilfe aus dem Ausland.
Und der heilige Betonklotz, an dem sich die Geister scheiden? Auch er stellt ein Relikt aus kommunistischen Tagen dar. Laut Experte Clewing ist die Herz-Jesu-Kathedrale ein “Ausdruck der spannungsreichen Verhältnisse von sozialistischem Staat und Kirche”: Einerseits wurde der Neubau aus den 1960ern an den Stadtrand verbannt – also eine symbolische Ohrfeige für die Kirchenleitung, die damals Ersatz für ihre im Weltkrieg zerstörte Innenstadtkathedrale suchte. Andererseits sei der Bau “eindrucksvoll”. Entgegen dem staatlich verordneten Atheismus nahm die Kirche “unübersehbar” doch Raum ein, so Clewing.