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Karlspreis an Oberrabbiner Goldschmidt verliehen

Der Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, und die jüdischen Gemeinden in Europa sind am Donnerstag mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede mahnte der 60-Jährige mehr Einsatz von Politik und Gesellschaft gegen Antisemitismus an. Nach dem Überfall der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres sei das jüdische Leben in Europa „ernsthaft bedroht“, mahnte er. Angesichts des wachsenden Judenhasses bangten viele Gemeinden um ihre Zukunft, sie lebten „in Angst“.

Verliehen wurde die diesjährige Auszeichnung nach Angaben des Karlspreis-Direktoriums als „Signal gegen Antisemitismus, Gewalt und Hass, für Toleranz, Dialog und Verständigung“. Dabei wurde Goldschmidts langjähriger Einsatz für den interreligiösen Dialog herausgestellt. Der 1950 ins Leben gerufene Karlspreis gilt als eine der wichtigsten europäischen Auszeichnungen. Der Preis wird an Menschen und Institutionen verliehen, die sich um Völkerverständigung und die Einigung Europas verdient gemacht haben.

Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sah die Verleihung an Goldschmidt als ein „Zeichen dafür, dass jüdisches Denken und jüdisches Leben Europa reicher macht – ja ausmacht“. Gleichwohl müsse man eingestehen, dass der Antisemitismus in die Geschichte Europas auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs „eingraviert“ sei, sagte der Grünen-Politiker in seiner Festrede. Aktuell seien antisemitische Tendenzen in den Gesellschaften „ausgeprägter denn seit langem“. Dabei sei das europäische Judentum aber „nicht etwas, gegenüber dem Toleranz einzufordern wäre, sondern der Grund für gelebte Toleranz“, betonte der Minister.

Der albanische Ministerpräsident Edi Rama reklamierte in seiner Laudatio das Prinzip der Toleranz für die europäischen Werte und erinnerte daran, dass sein Heimatland während des Zweiten Weltkriegs den europäischen Jüdinnen und Juden Schutz vor dem NS-Regime geboten habe. Toleranz brauche aber auch die Bereitschaft, die eigenen Vorurteile kritisch zu hinterfragen, erklärte Rama. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete die Auszeichnung für Goldschmidt als Signal der Verständigung zwischen den Religionen, für Frieden, Toleranz und europäische Werte.

Als „Vorbild gelebter Freiheit“ würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Preisträger, der seit 2011 Präsident der europäischen Rabbiner-Konferenz (München) ist: „Sie haben nie gezögert, Differenzen klar aufzuzeigen und für Ihre Haltung einzustehen“, schrieb er Goldschmidt. In seinem Engagement für die Religionsfreiheit setze er auf „den Weg des Dialogs“ und baue Brücken zwischen den verschiedenen Kulturen.

Auch die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, gehörte zu den Gratulanten. Als Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz stehe Goldschmidt „für die Vielfalt jüdischen Lebens. Sein konsequentes Eintreten für Religionsfreiheit und gegen Antisemitismus beeindruckt mich zutiefst“, erklärte sie.

Der am 21. Juli 1963 in Zürich geborene Goldschmidt arbeitete von 1989 bis 2022 als Rabbiner in Moskau. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine verließ er das Land. Er war 2015 Mitgründer des „Muslim-Jewish Leadership Council“, einem jüdisch-muslimischen Expertenrat mit Sitz in Amsterdam, der den Erhalt von Religionsfreiheit und religiösem Frieden sowie eine Vertiefung des Dialogs zwischen Europas rund 1,5 Millionen Juden und über 40 Millionen Muslimen zum Ziel hat.

Der Karlspreis wird traditionell an Christi Himmelfahrt überreicht. Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (2023), Papst Franziskus (2016) und Altbundeskanzlerin Angela Merkel (2008).