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Kantorin Christiane Scheetz lebt für die Kirchenmusik

Christiane Scheetz ist Kantorin an der Kreuzkirche im brandenburgischen Königs Wusterhausen. Sie hat den Einbau einer neuen Ahrend-Orgel initiiert und mitbegleitet.

Seit ihre Beine lang genug waren, um die Pedale der Orgel zu erreichen, spielt Christiane Scheetz bereits das Instrument
Seit ihre Beine lang genug waren, um die Pedale der Orgel zu erreichen, spielt Christiane Scheetz bereits das InstrumentAndrea von Fournier

„Oh! In deiner Kirche ist die Orgel aber gar nicht mehr gut!“ So oder so ähnlich hörte es Christiane Scheetz früher öfter. Dabei war es für die Kirchenmusikerin die Erfüllung eines Wunsches, in der evangelischen Kirchengemeinde Königs Wusterhausen südlich von Berlin ihren Platz zu finden. Schon bei ihrem Vorspiel 1995, das Organistin und Instrument Höchstleistungen abverlangte, fiel ihr auf, dass mit der Orgel kein Staat mehr zu machen war: „Die Register und die Klappen fielen einfach ab“, erinnert sie sich.

Die Situation heute ist das genaue Gegenteil. Organisten aus dem In- und Ausland, die die Königin der Instrumente in der Kreuzkirche in Königs Wusterhausen zum Beispiel beim Internationalen Orgelsommer gespielt haben, sind begeistert. Manche sichtlich berührt. „Dieses Instrument spricht zu einem“, soll ein tschechischer Organist fasziniert gesagt haben. Christiane Scheetz ergänzt „… je intensiver man mit ihm spielt, umso mehr!“

Ahrend-Orgel in Kreuzkirche im originalen Erscheinungsbild

Sie hat großen Anteil daran, dass aus der 1706 inschriftlich datierten Orgel der ehemaligen Schlosskirche die heutige Ahrend-Orgel mit zwei Manualen, Pedal, 20 Registern und neuen Pfeifen im originalen Prospekt entstand.

Die gebürtige Dresdnerin, Jahrgang 1965, wuchs in einem Pfarrhaushalt mit zwei jüngeren Geschwistern auf. Ihre Mutter arbeitete als kirchliche Verwaltungsangestellte und „klassische Pfarrfrau“ in der Gemeinde. Im Haus lebte auch die Kantorin, von der die junge Christiane sehr beeindruckt war. Die Eltern nahmen sie frühzeitig zu Kirchenkonzerten mit. Sie sang in Kinderchor und Kantorei, lernte als Kind Klavier spielen und sobald die Beine ans Pedal reichten, saß sie auf der Orgelbank. So war der Berufswunsch für sie alternativlos: Sie wollte Kantorin werden.

Die neue Ahrend-Orgel in Königs Wusterhausen ist für Kantorin Christiane Scheetz eine große Freude
Die neue Ahrend-Orgel in Königs Wusterhausen ist für Kantorin Christiane Scheetz eine große FreudeAndrea von Fournier

Wie in der DDR oft üblich, blieb der Pfarrerstochter der direkte Weg zum Abitur verwehrt. An der Hochschule für Kirchenmusik in Görlitz konnte sie mit einem „Vorjahr“, das vor allem Musik-, aber auch Deutschunterricht beinhaltete, nach der zehnten Klasse ins Kirchenmusikstudium starten. Ab 1982 war sie sechs Jahre an der Hoch-schule, heiratete, bekam Nachwuchs. Langes Aussetzen war trotz Kind nicht drin: „Man muss fit bleiben, sowohl Finger und Füße spiel-technisch wie auch belastungsmäßig“, so Christiane Scheetz.

Ihre erste Stelle versah sie ein Jahr in Görlitz-Rauschwalde. Die Erinnerung an das heute blühende Görlitz sind zerfallende Häuser und weiße Bändchen an den Auto-Antennen – Zeichen, dass die Fahrer Ausreiseanträge gestellt hatten. Weil ihr Mann aus Brandenburg kam und sie die Nähe zu Berlin suchten, zog die Familie 1989 nach Zossen. Eine Stelle wartete in der Paul-Gerhardt-Gemeinde im etwa zehn Kilometer entfernten Mittenwalde auf Christiane Scheetz. Sie versah die typischen Aufgaben ei-ner Kantorin. Die Kirche verfügt über eine gute Eule-Orgel.

Von Zossen nach Mittenwalde zu kommen, war damals schwierig. Die Stelle war nur eine halbe, zunächst nicht schlecht, denn es gab ja noch Familienarbeit. Die Umbrüche in den Jahren 1989/1990 kamen, Christiane Scheetz demonstrierte mit anderen Zossenern vor der Stasi-Dienststelle, oft mit dem Sohn an der Hand. Sie bekam ein zweites Kind und war froh über Führerschein und Auto, die ihre Mittenwalder Arbeit erleichterten. Sie rief verschiedene kleine Orchester und eine Konzertreihe mit Kammermusik und Orgel ins Leben. Eine lehrreiche, schöne Zeit mit Menschen, die ihr ans Herz wuchsen. Die Arbeit auf der Teilzeitstelle wurde immer mehr.

Als sie 1995 erfuhr, dass in Königs Wusterhausen eine Vollzeitstelle ausgeschrieben war, zögerte sie nicht lange mit der Bewerbung. Ein Telefonat mit der dortigen Pfarrersfrau gab ihr den nötigen Mut. 16 Bewerber gab es, vier kamen in die engere Wahl für ein Vorspiel. Eine Mammut-Aufgabe aus 2×2 Runden wartete auf die Bewerber. „Ich war eigentlich nur Nachrückerin“, sagt sie und muss noch heute schmunzeln. Doch sie meisterte die Anforderungen von vorbereiteten und unvorbereiteten Stücken, die Choralbegleitung, Chorprobe und Gespräch scheinbar am besten.

Kantorei in Königs Wusterhausen mit 40 Mitgliedern

Die beglückende Nachricht kam noch in der gleichen Nacht: Die Stelle gehörte ihr. Sie startete einen Neuanfang nach privaten Umbrüchen. In Königs Wusterhausen gab es eine kleine Kantorei mit 15 Sängern, die heute auf 40 gewachsen ist, und eine Gemeinde, die sich einen deutlichen Ausbau der Kirchenmusik wünschte. Im Pfarrhaus fand die Familie ein Heim.

Arbeit gab es an allen Stellen für die Kantorin. Bis heute: „In diesem Beruf ist man nie fertig, es gibt immer Neues zu entdecken und zu entwickeln“, sagt sie. Waren die Proben in der Kantorei anfangs menschlich sehr nett, doch müh-sam, gibt es jetzt einen Chor, der ein hohes Niveau erreicht hat. Anspruchsvolle und nicht alltägliche Werke für feine hohe Sopranstimmen und ein barockes Repertoire, Kantaten von Krieger, Stölzel und Graupner werden zu Gehör gebracht. Auch einen Kinderchor leitet die Kantorin.

Gemeindekirchenrat stimmte für neue Orgel in der Kreuzkirche

Ein signifikanter Ruck, der das kirchenmusikalische Leben der Gemeinde beeinflusste, war die neue Orgel mit ihrer hohen Qualität, Klangvielfalt und stimmlichen Ausrichtung. 2002 legte Christiane Scheetz auf einer Rüste zum Thema Gemeindeaufbau den Grundstein dafür: „Jeder Handwerker braucht ordentliches Arbeitszeug. Ich brauche eine ordentliche Orgel!“ Der Gemeindekirchenrat stimmte dem Ansinnen mit einem Beschluss zu. Sachverständige, Expertenteam und Orgelausschuss begleiteten den langjährigen Prozess des Orgelneubaus.

Mit der Entscheidung für ein Instrument norddeutscher Prägung folgte man der vermuteten Ausrichtung des Originals im 18. Jahrhundert. Orgelbauermeister Jürgen Ahrend aus Leer, 2004 sofort begeistert von Instrument und Historie, maß und zeichnete. Sohn Hendrik setzte die Vorstellungen der Gemeinde und eigene im Baum um. Kantorin und Posaunenchor wünschten sich noch zusätzliche Register, die zum größten Teil im Neubau verwirklicht sind.

Orgelmusik zum Kerzenschein

Die Zuhörer lieben Zimbelstern und Nachtigall besonders, weiß die Organistin, die fast alle Gottesdienste, Hochzeiten, Orgelführungen, „Orgelmusik zum Kerzenschein“ und Konzerte begleitet. Sie hat Partner gewonnen und ist froh, dass durch Beziehungen zur Musikschule, anderen Orchestern, Sängern und Instrumentalisten ein bewegtes Musikleben mit mehreren festen Formaten entstand. Von einer befreundeten Dozentin fließen neue Impulse und Erkenntnis-se über Alte Musik in ihre Arbeit ein, so dass sich die Kantorei, die während Corona sogar wuchs, auf versierte Workshops freut.

Momentan geistert in Christiane Scheetz‘ Kopf die Idee von Wandelkonzerten: Mit dem Orgelcembalo an öffentlichen Orten spielen und die Besucher mitnehmen, dazwischen Speis und Trank anbieten. Erste Gespräche dazu hat sie geführt: „Es ist immer etwas zu tun in diesem Beruf!“