Predigttext am 16. Sonntag nach Trinitatis: Johannes 11, 1(2)3,17-27 (41-45);
23 Jesus spricht zu ihr (Marta): Dein Bruder wird auferstehen. 24 Marta spricht zu ihm: Ich weiß wohl, dass er auferstehen wird – bei der Auferstehung am Jüngsten Tage. 25 Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; 26 und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das? 27 Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist. (in Auswahl)
"Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“
Generationen von Christen haben in den schwierigsten Lebenslagen diesem Satz Jesu Christi vertraut. Sie hofften auf eine gute Wendung in ihrem Leben oder angesichts von Sterben auf ein neues Leben nach dem Tod.
Doch viele verstehen diesen Satz nicht mehr, und schon gar nicht die Geschichte von Lazarus. Er war tot, hat sogar schon im Grab gelegen – und wird von Jesus wieder lebendig gemacht – das kann doch nicht sein, sagt ein aufgeklärter Mensch.
Kann nicht sein, sagt ein aufgeklärter Mensch
Viele christliche Geschwister aus anderen Kulturen finden es nicht so schwierig, solche oder ähnliche biblische Geschichten zu verstehen. Ein Pfarrer aus Indonesien zum Beispiel äußerte mir gegenüber sein Befremden darüber, dass seine europäischen Geschwister solche Schwierigkeiten mit Geisteraustreibungen haben. Er ist davon überzeugt, dass gute und böse Geisteskräfte in unserer Welt wirken. Die Gemeinde betet intensiv, dass Jesus Christus die bösen Geister besiegen und Menschen heilen möge. Indonesische Christen trauen Jesus Christus zu, das Machtgefüge der Geister durch seine Kraft zu beeinflussen. Einen Toten, der drei Tage im Grab gewesen ist, auferwecken? Dass Christus das kann, auch heute noch, würde der indonesische Pfarrer nicht in Frage stellen.
Als Europäerin verstehe ich die Welt anders. Naturgesetze können nach meiner Weltsicht nicht einfach außer Kraft gesetzt werden. Dass ein Toter, der drei Tage im Grab gelegen hat, real wieder lebendig wird, kann ich nicht glauben.
Ich verstehe den biblischen Text eher im übertragenen Sinn, als eine Geschichte, die vom Leben erzählt. Sie kann trösten, wenn jemand im Sterben liegt. Sie erzählt davon, dass nicht alles aus ist, wenn wir sterben. Sie kann Mut machen, wenn jemand in einer aussichtslosen Situation lebt, und weckt Hoffnung auf Veränderung.
Doch: Auch wenn ich die Lazarusgeschichte mit anderen Augen lese als der Pfarrer aus Indonesien, fasziniert mich, wie unsere weltweiten Geschwister die Bibel lesen und ihren Glauben leben. Sie trauen der Kraft Jesu Christi alles zu, sie wissen sich füreinander auch in spirituellen Dingen verantwortlich und beten voller Hoffnung.
Eine junge deutsche Frau aus Süddeutschland kam mit einer solchen für sie sehr fremden Glaubenseinstellung in Berührung und es bewegte sie sehr. Sie gehört zu einer Gruppe, die sich um die neu ankommenden Flüchtlinge in ihrem Heimatort kümmert. Zusammen mit den anderen geht sie in die Unterkunft, beschafft Dinge, die die Neuangekommenen brauchen, spricht mit ihnen. Sie freundet sich mit einer gleichaltrigen Frau aus dem Kongo an. Einmal erzählt ihre neue Freundin von ihrem Sohn. Er war gerade zwei, als er schwer krank wurde. Sie brachte ihn mit in den sonntäglichen Gottesdienst in ihrem Heimatland. Sofort fand sich eine Gruppe, die für ihn betete. „Ich habe Jesus vertraut. Er wollte, dass er lebt“, sagte sie. Der Junge wurde wieder gesund. Doch für die Flucht war er zu schwach. Er starb unterwegs. „Auch wenn er gestorben ist, wird er leben, das weiß ich“, sagt sie dann mit Tränen in den Augen. „Ich bin nicht mehr zuhause. Jetzt brauche ich euch, die für mich beten.“
Würde auch gerne so tief glauben können
Die junge deutsche Frau geht bewegt nach Hause. „Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt“, sagt Jesus Christus. „Auch wenn er gestorben ist, wird er leben, das weiß ich“, sagt die Frau aus dem Kongo.
Die junge Frau aus Süddeutschland würde auch gerne so tief glauben können. Zumindest will sie für ihre neue Freundin aus der Fremde beten. Doch wo? Und mit wem zusammen? Soll sie in den Gottesdienst ihrer Gemeinde gehen und die junge Afrikanerin mitbringen?