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Junge Muslime reinigen Kirche von antisemitischen Schmierereien

Mit antisemitischen Schmierereien ist die evangelische Martha-Kirche in Berlin überzogen worden. Daraufhin werden muslimische Jugendliche aktiv – und entfernen die Sprüche von der Kirchenwand.

An der Wand der Martha-Kirche in Berlin fanden sich die Schmierereien (Archiv)
An der Wand der Martha-Kirche in Berlin fanden sich die Schmierereien (Archiv)Martha-Kirchengemeinde

An der evangelischen Martha-Kirche in Berlin-Kreuzberg ist es zu antisemitischen Schmierereien gekommen. Fast gleichzeitig hatte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik öffentlich vor Stadtteilen gewarnt, in denen unter anderem Juden offene Anfeindungen erleben. Identische Schmierereien waren am Thälmann-Denkmal in Berlin Prenzlauer Berg zu finden. An der Martha-Kirche waren “Free Palestine” und “Massenmörder” zu lesen, außerdem “F*** Juden”.

Landesbischof Christian Stäblein verurteilt Schmierereien

Bischof Christian Stäblein hat die antisemitischen Sprüche an der Wand vor der Martha-Kirche in Berlin-Kreuzberg verurteilt. „Antisemitismus ist unerträglich und nehmen wir nicht hin“, erklärte er und zeigte sich entsetzt über die zehn großen antisemitischen und propalästinensischen Parolen. Er betonte, es sei schrecklich, wie sehr sich der Antisemitismus in den Straßen und sogar vor Kirchen wieder zeige.

Als Jugendliche aus dem Jugedntreff die Schmierereien sahen, machten sie  sich sofort auf den Weg zum Baumarkt – und kauften von ihrem Taschengeld Putzmittel, um die Schmierereien zu entfernen. Das berichten Sozialarbeiter Baris Kizgin und Pfarrerin Rens Dijkman-Kuhn übereinstimmend. Dijkman-Kuhn betonte dabei, dass sowohl Kizgin als auch die Jugendlichen islamischen Glaubens seien. Später besorgten sie einen Hochdruckreiniger und entfernten die letzten Reste der Schriftzüge. „Ohne jede professionelle Hilfe,“ so Kizgin.

Die Jugendlichen unterscheiden zwischen Religion und Politik

Besonders berührt hat den Sozialarbeiter und die Pfarrerin, dass die Jugendlichen nicht unberührt von den Ereignissen in Palästina sind. Es gäbe unter ihnen Einzelne, die miterleben mussten, dass Freunde und Familienangehörige dem Krieg im Gazastreifen zum Opfer gefallen sind. „Aber unsere Jugendlichen können zwischen denen, die für einen Krieg verantwortlich sind, und einer weltweiten Religionsgemeinschaft unterscheiden,“ sagt Kizgin überzeugt.

Kreuzberg verändert sich

Ja, die Situation im Kiez habe sich in den vergangenen Jahren gewandelt, sagt Els van Vemde, Vorsitzende des Gemeindekirchenrats. Die Bevölkerung habe sich verändert. Menschen sind fortgezogen, an den Rand der Stadt, zum Beispiel nach Spandau. Andere seien nachgezogen. Früher habe man es vor allem mit türkischen Migranten zu tun gehabt. „Jetzt sind es vermehrt Migranten arabischer Herkunft.“ Es käme ein wenig Neukölln nach Kreuzberg, meint sie. Von offenem Antisemitismus könne sie aber nicht sprechen. Auch sie betont noch einmal, dass es muslimische Jugendliche waren, die die Schriftzüge entfernt haben.

Das sieht ihre Stellvertreterin Gundula Lembke ähnlich und ergänzt, dass es seit Corona auch in der Jugendarbeit eine Veränderung gegeben habe. „Es sind jetzt überwiegend männliche Jugendliche. Die Mädchen bleiben weg.“ Aber auch sie, die selbst in der Nachbarschaft wohnt, sieht keinen offenen Antisemitismus im Kiez. Kizgin weist in diesem Zusammenhang auf die ständigen Pro-Palästina-Demos hin, aber die seien an anderen Stellen Kreuzbergs und hätten keine konkrete Bedeutung für den Kiez um die Gemeinde herum.