Die Spaltung innerhalb der israelischen Gesellschaft nimmt aus Sicht des jüdischen Journalisten Richard C. Schneider weiter zu. “Die Risse, die wir jetzt sehen, waren immer da”, sagte er im Interview mit den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse (Sonntag). Sie seien in der Vergangenheit nur übertüncht worden.
Man habe die radikalen religiösen Kräfte im Land nicht ernst genommen, so der frühere Israel-Korrespondent der ARD. Nun sei der politische Einfluss dieser Gruppe besonders groß. “Sie wollen ausschließlich ihre Ideologie umsetzen – ohne Rücksicht auf Verluste.” Die Folgen für die Wirtschaft und Sicherheitspolitik des Landes leugneten sie, weil sie religiös getrieben seien.
Der in München lebende Schneider sieht noch eine weitere Spaltung: Die rechtsextremen Minister in der israelischen Regierung trieben die Trennung des Judentums in Israel von dem in anderen Ländern der Welt voran. So wolle Finanzminister Belazel Smotrich das Einbürgerungsgesetz verschärfen. Bisher haben neben Kindern jüdischer Eltern auch jene ein Recht auf Einwanderung, die mindestens ein jüdisches Großelternteil haben. Letztere sollen nach dem Willen des Ministers künftig ihr Recht auf Einbürgerung verlieren. Es gehe dabei um Menschen, die sich dem Judentum zugehörig fühlen, kritisierte Schneider. “Anstatt sie zu umarmen und im Land willkommen zu heißen, stößt man sie ab.”
Der 66-Jährige äußerte sich auch zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Er glaube immer weniger daran, “dass überhaupt irgendeine Seite eine Lösung will”. Klassisches Schwarz-Weiß-Denken sei hier verkehrt, da der Konflikt sehr viel komplizierter sei und beide Seiten viele Fehler machten. Dennoch gebe es im Miteinander vor Ort auch immer wieder Lichtblicke, etwa wenn sich jüdische Siedler und Palästinenser gegenseitig unterstützten.
Schneider wuchs als Sohn jüdischer Eltern in München auf. Er lebte 19 Jahre in Israel und pendelt nun zwischen Tel Aviv und München. Als Journalist war er lange in verschiedenen Funktionen für die ARD tätig und schreibt nun für den “Spiegel” mit dem Schwerpunkt Israel und Palästina.