Es bleibt nötig, sich mit der Bilderflut heute auseinanderzusetzen. Stundenlang ist der Fernseher oder das I-Pad angeschaltet. Mit einem Knopfdruck bekommt man heute Verlockendes und Faszinierendes vor Augen gemalt.
Da ist es gut, dass es Bilder des Glaubens gibt. Es bietet Orientierung, sich auf die Redner und Schreiber der Bibel zu besinnen. Auf vielfache Art und Weise waren sie schöpferisch im Gebrauch von Bild-Worten und im Beschreiben von Visionen, die ihnen vom Himmel her eröffnet wurden. Darauf vor allem will das Themenjahr „Bild und Bibel“ unseren Blick lenken. Am 31. Oktober geht es zu Ende.
Bedenken, was die Propheten gesagt haben
Eines darf aber hier nicht fehlen: Jesus selbst hat mit Bildern gelebt! Immer wieder weisen ihm Bilder aus seiner Heiligen Schrift den Weg und helfen noch heute zur inneren Sammlung.
Schlagen wir etwa Markus, Kapitel zwölf, auf: Es bekümmert Jesus, zu erleben, wie sich die Pharisäer in Jerusalem zu ihm verhalten. So viele von ihnen schauen mit Argusaugen auf das, was er tut und sagt. Er spricht darüber im Gebet mit seinem Vater im Himmel und bedenkt zugleich, was Propheten vor ihm gesagt haben.
Da wird er von dem Lied vom unfruchtbaren Weinberg gepackt (Jesaja 5, 1-7). Es ging Jesaja – mehr als 700 Jahre vor Jesus – nicht anders als ihm jetzt. Jesus nimmt diese Rede auf und formt das Gleichnis: „Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum….“ (Vers 1) Und dann erinnert er an das Wort: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.“ (Psalm 118, 22) Man hatte bereits den Stein zum Schutt geworfen. Da nimmt Gott den Stein von dort weg und setzt ihn an die wichtigste Stelle des Hauses. Nun redet Jesus von sich selbst. Alles ruht jetzt auf ihm.
Eine andere Szene: So oft ist Jesus mit seinen Jüngern in Dörfern oder Städten unterwegs. Er sieht sie alle: die geschäftigen Kaufleute, den selbstbewussten Rabbi und den hochnäsigen Richter, die Mütter mit ihren Kindern, die Alten, die Blinden, auch die Hure im Dorf, die am Rande des Marktplatzes entlangschleicht. Was für Kümmernisse haben sich im Innersten der Menschen angesammelt!
Kreatürliche Angst – tiefes Vertrauen
Da denkt Jesus an das Wort des Micha. Vor König Ahab hat dieser die Situation der Menschen in Israel so aufgedeckt: „Ich sah ganz Israel zerstreut auf den Bergen wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ (1. Könige 22, 17) Sie haben sich verlaufen. Seit Tagen suchen sie vergeblich nach einer Wasserquelle. Von Insektenschwärmen werden sie gejagt. Die Menschen jetzt sind ihnen gleich. Und dann ruft Jesus seine Jünger auf: „Die Ernte ist groß. … Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sendet.“ (Matthäus 9, 35-39) Diese Menschen leben auf eigene Faust und sind verwundet. Aber gerade unter ihnen wird es eine reiche Ernte geben.
Besonders beeindruckend das dritte Bild. Mit den Römern war die schreckliche Strafe der Kreuzigung nach Palästina gekommen. Wer sich gegen die Macht der Römer auflehnte, wurde hingerichtet. Er musste den Weg zur Hinrichtungsstätte gehen, wurde ans Kreuz genagelt und verreckte dort. Wer sich klarmacht, dass noch heute Menschen gekreuzigt werden, dem blutet das Herz.
Jesus hat vor Augen, was geschehen wird, wenn er bei Pilatus angeschwärzt wird. Er hat davor ganz kreatürliche Angst und geht doch in tiefem Vertrauen seinen Weg. Da schaut er das Bild aus dem Jesaja-Buch: „Der Herr warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird.“ (Jesaja 53, 6f)
Jesus ist sich gewiss: Ich bin dieses Lamm Gottes (Markus 10, 45; Johannes 1, 29). Damit Sünde vergeben werden kann, muss ich die Schuld der Welt auf mich nehmen. Wenn ich auf Golgatha sterbe, dann ist dies das einzigartige Zeichen der Liebe Gottes zur Welt. So geht er seinen Weg weiter.
Auch Paulus, Petrus und Johannes haben sich von den Bildern der Propheten inspirieren lassen. Wo sich Menschen mit diesen Bildern vertraut machen, macht es ihrer Hoffnung Beine und kommen sie dem Geist Gottes auf die Spur. Dieser Geist Gottes heilt, richtet auf und eröffnet einen weiten Horizont, ganz anders als all das Ablenkende, Bedrängende und so ungemein Verwirrende unserer Zeit. Man braucht nur auf die von einem zum anderen weitergereichten Bilder der Bibel zu sehen. Jesus selbst hat mit biblischen Bildern gelebt, und wie!
• Hartmut Frische ist Pfarrer i. R. in der Evangelischen Kirchengemeinde Hartum-Holzhausen.