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Jede Begegnung ist wichtig

Zum Auftakt der Woche der Brüderlichkeit wurde der Rock-Musiker Peter Maffay in Recklinghausen mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet. „Ohne Dialog werden wir die Probleme unserer Welt nicht lösen“, so der Preisträger

Stefan Arend

RECKLINGHAUSEN – Mit einem großen Festakt ist am vergangenen Sonntag im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen bundesweit die „Woche der Brüderlichkeit“ eröffnet worden. Dabei wurde Peter Maffay mit der Buber-Rosenzweig-Medaille für sein entschiedenes Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus in Politik, Gesellschaft und Kultur ausgezeichnet.
Zu den ersten Gratulanten gehörte Margaretha Hackermeier, Katholische Präsidentin des Deutschen Koordinierungsrates. „Angst führt zu Entmenschlichung“, warnte sie mit Blick auf das Motto der Woche „Angst überwinden – Brücken bauen“. Sie lobte Maffays mutiges Auftreten und Engagement für Benachteiligte und sein Eintreten für religiöse Toleranz und nannte den christlich-jüdischen Dialog eine „unentbehrliche Basis für das Zusammenleben“.
„Ich dachte zuerst, das wäre das bundesweite Programm“, staunte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet über das Programmheft mit 115 Veranstaltungen allein in Recklinghausen. Dann skizzierte er die aktuellen Herausforderungen an Politik und Gesellschaft. „Antisemitismus war immer da und ist sehr deutsch“, so Laschet. Deutschland sei heute eine Einwanderungsgesellschaft, in der die „Ich-Du-Philosophie“ des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber immer noch der richtige Ansatz sei für die, die nicht miteinander reden könnten. Demnach gewinne ein Mensch Würde und Identität erst, „wenn er sich nicht nur um sich selbst dreht, sondern sich auch für das Du des anderen Menschen“ öffnet. „Das passt in unsere Zeit“, stellte Laschet mit Blick auf die Fremdheit, das Anderssein und die zunehmende Anonymität auch auf der Ebene der sozialen Medien fest. Und bescheinigte Maffay, im Geiste Bubers zu wirken. Mit Blick auf den 80. Jahrestag der Reichspogromnacht in diesem Jahr regte Laschet an, zu einer gemeinsamen Erklärung von Christen, Juden und Muslimen gegen Hass, Gewalt und Intoleranz zu kommen.
Christoph Tesche, Bürgermeister der Stadt Recklinghausen, lobte das Engagement der vielen Ehrenamtlichen mit ihren diversen Dialogangeboten auch weit über die Festwoche hinaus und bezeichnete die Aktivitäten als eine ausgezeichnete Referenz für die ausgeprägte Kultur für Tole-ranz und Gemeinwesenorientierung in Recklinghausen.
Besondere Grüße von dem Holocaust-Überlebenden Wolf Abrahamsson überbrachte Cay Süber-krüb, Landrat des Kreises Recklinghausen, der ihn vor Kurzem zum Geburtstag besucht habe. „Dieser Mensch ist für mich ein Wunder“, sagte Süberkrüb. Er leide jedoch darunter, dass er das Trauma der Shoa nicht vergessen könne.
Die Laudatio für Maffay hielt Professor Udo Dahmen, Direktor der Popakademie Baden-Württemberg, der das künstlerische Schaffen und persönliche Engagement des Geehrten für Benachteiligte und gegen jede Form von Extremismus und Fremdenfeindlichkeit würdigte: „Du bist ein Macher. Das Wesentliche für dich ist das Miteinander“, so Dahmen. „Du hast immer darauf hingewiesen, dass wir alle ein Teil vom großen Ganzen, ein Teil der Schöpfung sind.“
Maffay setze als „Mehrgenerationen-Künstler“ vor allem auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen „als diejenigen, die in Zukunft unsere Gesellschaft tragen werden“. Dadurch würden sie zu „jungen Botschaftern für Völkerverständigung“. Mit einer Geste beendete Dahmen seine Rede: „Yeah, man – credibility!“, sagte er und deutete mit zwei ausgestreckten Zeigefingern auf Maffay – Glaubwürdigkeit ist die Basis aller Bemühungen.
„Ohne Dialog werden wir die Probleme unserer Welt nicht lösen“, schloss Maffay daran an, der sich mit seiner Stiftung für sozial benachteiligte Kinder und für den isralisch-palästinensischen Dialog zwischen Jugendlichen einsetzt. Israel und Palästina seien ein internationaler Hotspot: „Wenn wir hier etwas erreichen, wird das auch auf andere Regionen der Welt ausstrahlen“, sagte Maffay unter großem Applaus.
Seine eigene Erziehung in Rumänien habe eine erhebliche Rolle bei der Entwicklung seines Wertekanons gespielt. Ihm sei „jede Begegnung wichtig“. Die erfolgreiche Entwicklung seiner Musik und seiner Texte sei immer auch ein Zusammenspiel von mehreren gewesen: „Ich habe vielleicht vier oder fünf Texte geschrieben. Die wollte niemand hören.“ Dann aber habe sich das Setting geändert: „Wir setzen uns zusammen und machen Musik, das ist wunderbar. Und dann fragen wir uns: Was will ich, was wollen wir damit eigentlich ausdrücken?“
Das Ganze funktioniere wie beim Fußball: „Die spielen nicht gegeneinander, sondern miteinander.“ Und immer, wenn zwei sich gegenüber stünden, bräuchte es einen Dritten, der den ersten Schritt mache. Dafür stünde das Lied „Halleluja“.
Schon vor der Preisverleihung hatte Maffay in einem Interview mit der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“ kritisch angemerkt, dass das Land „den gemeinsamen Wertekanon“ verloren habe. Politiker und Parteien sowie Teile der Wirtschaft, einige Sportfunktionäre und Kirchenvertreter hätten „in jüngster Zeit viel Vertrauen verspielt“. Viele Menschen hätten „das Gefühl, dass der Eigennutz im Vordergrund steht und nicht das Gemeinwohl“.

Internet: www.deutscher-koordinierungsrat.de; www.cjg-re.de.