Wehrdienst – freiwillig oder verpflichtend? Darüber streitet die Bundesregierung derzeit. Heute will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seine Pläne zu einem freiwilligen Wehrdienst vorstellen. Die Union drängt hingegen auf einen verpflichtenden Wehrdienst, falls eine bestimmte Zahl an Rekruten nicht erreicht werden sollte.
Nach Zahlen des Bundesverteidigungsministeriums hatte die Bundeswehr Ende Juli insgesamt 11.350 Wehrdienstleistende – rund 15 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr. Auch das Personal insgesamt wächst. Woran liegt es, dass junge Menschen häufiger zur Bundeswehr gehen? Und gehen sie trotz oder gerade wegen der angespannteren Sicherheitslage in Europa?
Viele Gründe sprechen für Verpflichtung
Einer, der darauf eine persönliche Antwort geben kann, ist Fähnrich Lukas Meier*, der seinen richtigen Namen nicht in diesem Artikel lesen möchte. Der 21-Jährige hat 2023 sein Abitur abgelegt – und direkt danach Wehrdienst geleistet. Warum? “Patriotismus zum Vaterland”, sagt Meier, der die Offizierslaufbahn gewählt hat. “Ich bin stolz darauf, ein deutscher Offizieranwärter zu sein, deutscher Soldat zu sein, deutscher Staatsbürger zu sein. Ich finde, Deutschland ist ein sehr großartiges Land.”
Aus weiteren Gründen “dient” der Fähnrich seit zwei Jahren: persönliche Grenzen kennen lernen, körperlich und mental fitter werden und Führungsverantwortung übernehmen – letzteres komme in der Offizierslaufbahn bereits nach einigen Monaten. “Geld, Sicherheit und ein bezahltes Studium sind natürlich Punkte, die ich bei meiner Entscheidungsfindung miteingeschlossen habe”, ergänzt Meier. Ein Jahr lang habe er verschiedene Lehrgänge bei der Bundeswehr absolviert und daran ein vierjähriges bezahltes Bachelor- und Masterstudium an der Universität der Bundeswehr in München angeschlossen. Für 13 Jahre habe er sich im Gegenzug bei der Bundeswehr verpflichtet.
Gesellschaftliche Akzeptanz von Soldaten
Seltener würden Soldaten in Uniform schräg von der Seite angeschaut, findet Meier. Er spricht von einer hohen gesellschaftlichen Präsenz, beispielsweise durch das kostenfrei Bahnfahren in Uniform. In den 80ern und 90ern wurden Soldaten dagegen schon mal als Mörder bezeichnet. Das sei inzwischen nicht mehr so, sagt Meier. Die Finanzpakete für die Bundeswehr seien von der Gesellschaft gut aufgenommen worden; Geld und Material, welche in vergangenen Jahren gefehlt haben, würden nun langsam ankommen.
Auch die Diskussion um die Wehrpflicht zeige eine größere Offenheit der Bundeswehr gegenüber. Ebenso, dass sich zunehmend mehr 17-Jährige der Bundeswehr zuwenden: Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine würden nun viele Menschen hierzulande eine gewisse Wehrhaftigkeit für den Eigenschutz als nötig ansehen.
Ukraine-Krieg ist sehr präsent unter Rekruten
Der Ukraine-Krieg ist auch in Gesprächen der Soldatinnen und Soldaten ein Thema: über die Situation vor Ort, das Erkennen von Kriegstaktiken, unterschiedliche Szenarien und darüber, wie der Krieg enden könnte. “Wir wissen auch genau, wie die Menschen dort sterben: beispielsweise, dass dort von der Genfer Konvention verbotene Anti-Personen-Minen verlegt worden sind und andere Fallen”, bedauert Meier. Dabei teilen die Rekruten die Vorstellung: Auch sie selbst könnten vor Ort – und betroffen sein.
Anteilnahme, die wohl auch aufgrund von Kameradschaft entsteht. Eine weitere Motivation für den Dienst – “auch aufgrund von Heldengeschichten aus Filmen”, vermutet Meier. “Andere haben geäußert, dass sie wegen des Ukraine-Kriegs zur Bundeswehr gegangen sind, um ihre Familien und sich selbst verteidigen zu können.”
Einfach ausprobieren
Lukas Meier rät bei Unsicherheit dazu, diese Karriere einfach auszuprobieren. Sein eigener Plan B wäre eine Bankausbildung bei der Sparkasse in Köln gewesen. Nach einer Woche Eingewöhnung habe er dann aber gewusst, dass die Bundeswehr das Richtige für ihn sei. Andernfalls sei ein Widerruf der Verpflichtung bis zu sechs Monate lang möglich.
Und was hat seine Familie zur Soldatenkarriere gesagt? “Meine Eltern haben mich vollkommen unterstützt”, sagt Meier. Sein älterer Bruder sei bereits vor ihm Offizieranwärter gewesen. Er glaube aber, dass dies in anderen Familien häufig nicht der Fall sei. Als Katholik teile er den Gedanken: “Gott hat mich geschickt, um auf diese Art Hilfe zu leisten”.
