Der Osnabrücker Islamexperte Bülent Ucar fordert anlässlich der Verabschiedung der ersten am Islamkolleg Deutschland ausgebildeten Imame bessere berufliche Perspektiven für die Absolventen. Die Moscheegemeinden hätten nicht die eigenständige finanzielle Kraft, in Deutschland ausgebildete Imame einzustellen, sagte der Direktor des in Osnabrück ansässigen Islamkollegs in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Imame, die ein abgeschlossenes Studium und jetzt auch die islamtheologisch praktische Ausbildung abgeschlossen hätten, erwarteten zu Recht angemessen bezahlte Jobs.
Unterstützung seitens des Bundes und der Länder halte er für dringend notwendig. Nur dann könne die erste deutschsprachige, überkonfessionelle und Verbands-unabhängige Imam-Ausbildung in Deutschland Schule machen. Er hoffe auf viele weitere Absolventen und den Ausbau des Islamkollegs in den kommenden Jahren, sagte Ucar, der auch das Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück leitet.
Das 2021 gegründete Islamkolleg verabschiedet am Samstag (30. September) 14 Männer und drei Frauen, die erstmals an einer zweijährigen grundständigen islamtheologisch praktischen Ausbildung erfolgreich teilgenommen haben. Die Absolventen können als Imame und Gemeindepädagoginnen sowie als Seelsorgerinnen und Seelsorger arbeiten.
Wenn die Regierungen nicht direkt die Imame finanzieren wollten, könnten sie etwa die Sozial- und Jugendarbeit der Gemeinden unterstützen, schlug der Direktor vor. Mit dem dann frei werdenden Geld könnten die Moscheegemeinden die Imame bezahlen. Eine andere Möglichkeit sei die vom Islamwissenschaftler Michael Kiefer vorgeschlagene unabhängige, aber vom Staat finanzierte Moschee-Stiftung, die die Imame bezahle.
Leider zeige sich die Ampel-Koalition sehr zurückhaltend, bemängelte Ucar. Politiker aller Parteien kritisierten seit Jahren, dass die Imame des türkisch-islamischen Verbands Ditib durch den türkischen Staat finanziert würden. Aber an Alternativen werde nicht ernsthaft gearbeitet. Das Personal der christlichen Kirchen hingegen werde etwa über die Staatsleistungen seit Jahrhunderten mitfinanziert.
Die Absolventen des Islamkollegs können Ucar zufolge auch in Krankenhäusern, Gefängnissen und der Bundeswehr arbeiten. Die Zusammenarbeit mit christlichen Krankenhäusern funktioniere gut. In Gefängnissen würden islamische Seelsorgerinnen und Seelsorger jedoch anders als ihre christlichen Kollegen bislang nicht fest angestellt. Er rechne damit, dass sich dies durch die neue Ausbildung ändere, sagte der Theologe. Bezüglich der Militärseelsorge gebe es erste positive Signale vom neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er hoffe, dass bald erstmals auch islamische Seelsorger für die rund 3.000 muslimischen Soldaten in der Bundeswehr tätig werden könnten.