In den zurückliegenden Wochen haben sich in rund 570 Gemeinden in Westfalen und Lippe rund 22 000 Jugendliche konfirmieren lassen. Das sind rund 30 Prozent aller Jugendlichen oder rund 90 Prozent derer, die 13 und 14 Jahre zuvor getauft worden sind. Hinzu kommen mit einem Anteil von rund fünf bis sieben Prozent diejenigen, die sich in der Konfirmandenzeit oder bei der Konfirmation taufen lassen, in absoluten Zahlen: etwa 1100 Jugendliche. Damit ist die Konfirmation der wichtigste Zeitpunkt nach der Kindertaufe, zu dem Menschen in die Kirche aufgenommen werden.
Kraft und Zeit in das Miteinander investieren
Nicht zu Unrecht halten darum Kirchenvorstände die Konfirmandenarbeit für die wichtigste Aufgabe der Gemeinde. Das ergibt eine Befragung unter knapp 4000 Kirchenvorsteherinnen und -vorstehern in Deutschland, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde. Knapp dahinter folgt der Gottesdienst.
Dennoch können und sollen solche Zahlen nicht über Herausforderungen hinwegtäuschen, vor denen die Konfirmandenarbeit zunehmend steht.
Das Teilnahmeverhalten hat sich in manchen Regionen deutlich verändert. Neben Gemeinden, in denen sich annähernd alle evangelischen Jugendlichen zur Konfirmation anmelden, gibt es solche, in denen diese Zahl deutlich darunter liegt.
Gründe dafür sind vielfältig. Sie liegen nicht allein in einer nachlassenden Religiosität der Jugendlichen. Studien zur Konfirmandenarbeit wie Jugendstudien zeigen, dass zwei Drittel der Jugendlichen sagen, sie glauben an Gott. Am Ende der Konfirmandenzeit bewerten drei Viertel der Konfis den Glauben an Gott und die Kirche als positiv.
Konfirmandenarbeit muss sich mehr und mehr auf einem „Markt“ behaupten. Ein wesentlicher Mitbewerber um die Zeit der Jugendlichen ist die Schule. Nach Einführung von G8 wurde zwischen den Landeskirchen und dem Land Nordrhein-Westfalen vereinbart, dass der Dienstagnachmittag ab 15 Uhr freizuhalten ist. Ein nicht unwesentlicher Faktor sind Eltern: In der Sorge um ihre Kinder wünschen sie sich eine möglichst geringe Belastung durch außerschulische Angebote. Hinzu kommen Zeiten, die Vereine beziehungsweise außerschulische Bildungsangebote wie zum Beispiel Musikschulen beanspruchen. Auch Ärzte wissen, dass der Dienstagnachmittag freigehalten werden soll.
Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Bei den Jugendlichen wirken sich solche äußeren Faktoren weniger auf ihr Interesse und ihre Zufriedenheit mit der Konfirmandenzeit aus als innere Faktoren. Wichtiger als „Schulstress“ ist für Konfis, wie die Konfirmandenzeit gestaltet ist und ob sie sie als für sich bedeutsam erleben. Das bedeutet: Gemeinden können selber etwas ändern.
Dabei gibt es keine Allheilmittel. Eine positive Wahrnehmung der Konfirmandenzeit hängt wesentlich mit sozialen Faktoren zusammen, also dem Miteinander in der Gruppe, der Beziehung zu Pfarrerinnen und Pfarrern und den Beziehungen zu denen, die in der Konfirmandenarbeit mitwirken. Das spricht sehr dafür, Kraft und Zeit in das Miteinander in und mit der Gruppe zu investieren. Die Gruppe muss sich kennenlernen und zur Gruppe werden können. Hier sind Übernachtungsaktionen, Fahrten, Freizeiten und Konfi-Camps bedeutsam, ebenso Zeiten, in denen die Gruppe länger zusammen ist und miteinander etwas macht, wie Konfirmandentage oder Blocktage. Die Zusammenarbeit in einem Team von Haupt- und Ehrenamtlichen stärkt ebenso die soziale Ebene.
Gemeinden insbesondere in Westfalen sind dabei, die Konfirmandenzeit in dieser Weise „attraktiver“ zu gestalten. Konfirmandenarbeit ist im Laufe der letzten zehn bis 15 Jahre vielgestaltiger geworden. In fast allen Gemeinden sind andere Personen beteiligt. Freizeiten gehören zum Standard, Konfi-Camps sind weit verbreitet. Die meisten Gemeinden kombinieren Organisationsformen wie wöchentliche Treffen und monatliche Blocktage.
Und die Inhalte? Es gibt anscheinend einen Zusammenhang zwischen dem, was Konfis in der Konfirmandenzeit lernen und dem Erleben als Gruppe und mit Mitarbeitenden. Christlicher Glaube lernt sich nicht abstrakt. Christlicher Glaube wird vermittelt durch Menschen, in Begegnungen und auch in der Gruppe. Christlicher Glaube wird gelernt an anderen Menschen und „in, mit und unter“ Gemeinschaft.
Darin liegt eine bleibende Chance von Konfirmandenarbeit, auch unter sich verändernden Rahmenbedingungen.
• Zur Befragung von Kirchenvorständen:
– Rebenstorf, Hilke und andere (Hg.): Potenziale vor Ort – erstes Kirchengemeindebarometer. Leipzig 2015.
• Zur Befragung von Konfis:
– Ilg, Wolfgang und andere. (Hg.): Konfirmandenarbeit in Deutschland. Empirische Einblicke – Herausforderungen – Perspektiven. Gütersloh 2009; Schweitzer, Friedrich und andere (Herausgeber): Konfirmandenarbeit im Wandel – Neue Herausforderungen und Chancen: Perspektiven aus der Zweiten Bundesweiten Studie. Gütersloh 2015.
• Weitere Informationen zur Konfirmandenarbeit im Internet unter www.pi-villigst.de.
Neuer Lehrplan zur Konfirmandenarbeit liegt vor
Nach einem längeren Beratungs- und Erprobungszeitraum hat die westfälische Landessynode auf ihrer Tagung im November 2015 einen neuen Lehrplan für die Konfirmandenarbeit beschlossen.
Neu ist: Der Lehrplan hat gegenüber dem von 1987 eine völlig überarbeitete Struktur. Zu den einzelnen Themenbereichen gibt er Gestaltungshinweise in dem Dreischritt „Wahrnehmen und entdecken – deuten und wissen – gestalten und handeln“. Im Unterschied zum alten Lehrplan sind nicht mehr alle Themen gleichermaßen verbindlich, sondern aus den Themenbereichen soll im Blick auf die konkrete Gruppe eine Auswahl getroffen werden. Damit Inhalte nicht zu kurz kommen, stellt der Lehrplan Verknüpfungen unter den Themen her.
Neu hinzugekommen sind Hinweise zur Konfirmandenarbeit im 3. Schuljahr. Ebenfalls neu ist je ein Abschnitt zu jedem Thema zur „Leitung und Begleitung durch das Team“. Damit soll die Bedeutung, die der Zusammenarbeit im Team zukommt, unterstrichen werden.
Der neue Lehrplan liegt nun gedruckt vor und wird in diesen Tagen und Wochen an die Gemeinden in Westfalen verteilt.
• Eine PDF-Version liegt in Kürze unter www.pi-villigst.de zum Download bereit.