Nach 30 Jahren sieht Rapper Yak Hallo seinen Vater wieder – und ist ab dem Moment gemeinsam mit seiner syrischen Stiefschwester unterwegs. Musik spielt in dem Film eine besondere Rolle.
Am Anfang rumst es ordentlich. Die Geschichte eines Rappers soll erzählt werden, heißt es, und der fällt dann auch gleich auf der Bühne um. Zu viele Tabletten, zu viel Suff. Eine dieser Pannen, die sich gut in die Biografie einarbeiten lassen. So sieht das auch der Manager, der den Musiker nach einem kurzen, aufmunternden Gespräch wieder auf die Bühne schickt. Was man dabei erfährt, nahe am Popstar-Klischee, ist die Fallhöhe, um die es bei Yak Hallo (Kostja Ullmann) geht, dem Rapper, der eigentlich Yakoub heißt. Er hat es im Musikbusiness weit gebracht: Berlin, Villa, Autos, Dauerparty. Seine Konten kontrolliert allerdings der Manager.
Mit diesem Hauch eines Konzerts ist der Rap-Teil des Films “Im Rosengarten” dann auch schon vorbei. Es geht, wie der Titel andeutet, in eine völlig andere Richtung, was vor allem den Rapper überrascht. Yakoub wird nach Köln beordert, in ein Krankenhaus, in dem sein syrischer Vater im Koma liegt. Der hatte seine deutsche Frau und den kleinen Yakoub vor 30 Jahren verlassen und nie wieder etwas von sich hören lassen. Jetzt taucht er wieder auf, ganz und gar nicht zur Freude seines mittlerweile erwachsenen Sohnes.
In dessen Gesicht ist “Fcktheroots” tätowiert; er hat sich vom Vater und seinen Wurzeln komplett distanziert. Was ihm die Erkenntnis, dass er eine 16-jährige syrische Stiefschwester namens Latifah (Safinaz Sattar) hat, nicht gerade erleichtert. Yakoub soll sich um sie kümmern, bis der Vater dazu hoffentlich selbst wieder in der Lage ist. Das allerdings ist so ziemlich das Letzte, was Yakoub interessiert, der sofort mehrere Auswege in Betracht zieht.
Während er versucht, Latifah loszuwerden, entwickelt sich der Film zu einem Road Movie. Yakoub kann kein Geld mehr abheben, sein Auto gibt den Geist auf, er verliert seine Selbstsicherheit, nur Latifah bleibt, gerade weil er sie am wenigsten bei sich haben will. Die Dynamik zwischen den Geschwistern ist großartig anzusehen, ihr unterschwelliges Ziehen und Schieben, bei dem jeder vom anderen etwas verlangt, wobei beide nur halbwegs gute Miene dazu machen.
Latifah spricht nur Arabisch, was die Situation verkompliziert. Doch um zu begreifen, dass ihr Bruder ein eitler, zorniger, verlogener Kerl ist, reicht ihr Verständnis allemal. Sie folgt Yakoub trotzdem wie ein Schatten und zwingt ihn, sich mit seinem Leben und seiner Haltung auseinanderzusetzen. Das zeigt der Film episodenhaft, zusammengehalten durch die Vorwärtsbewegung der Geschwister, erst mit dem Auto, dann per Anhalter, schließlich zu Fuß.
Yaks Demontage findet auf deutschen Landstraßen statt, im Winter und in der tiefsten Provinz. Ohne den Schutzwall von Großstadt und Reichtum muss er sich mit Dingen befassen, die er so nicht kennt. Abwechselnd führt der Film in diverse Parallelwelten. Regisseur Leis Bagdach zeigt junge Neonazis auf dem Land oder alte Menschen, die in Traditionen erstarrt sind.
Im Kontrast dazu stehen die Netzwerke der islamischen Migranten, die sich vor dem Hass in den Dörfern schützen müssen. Zwischen solchen Erlebnissen mit der Bevölkerung sucht Yak seine Großeltern auf; er trifft Kindheitsfreunde, durchquert den Schwarzwald und befragt seine Vergangenheit. Dass er darin wenig Schönes findet, ist eine Gemeinsamkeit zwischen ihm und Latifah.
“Im Rosengarten” will vieles ans Licht bringen. Das fängt bei der Langeweile in der deutschen Provinz an, die in Feindseligkeit umschlägt, sobald jemand wie ein Migrant aussieht. Der Film will etwas über Heimat erzählen. Ein Begriff, der hier untersucht und im Ergebnis nicht durch Orte definiert werden kann, sondern vielleicht durch Familie, am ehesten aber durch Sprache. Er zeigt, wie die Vergangenheit die Gegenwart im Griff hat oder wie viel Raum die Toten einnehmen. Er handelt von Freundschaft und Verrat, von Glauben und Gleichgültigkeit. Das ist ziemlich ambitioniert, was für einen Debütfilm genau das Richtige ist.
Mit den Protagonisten geht Leis Bagdach angenehm unsentimental um; er hält sie am Boden und doch nicht immer in der Realität, was dem Film ein bisschen Pathos und eine Prise Irritation verleiht.
Ziel des Films ist, den Blick der Helden auf sich selbst zu lenken, während die Zuschauer mehr als die damit verbundene Melancholie zu sehen bekommen. Bagdach stellt die Landschaft aus, was wie eine Versöhnung mit der Provinz wirkt; er verleiht der Geschichte mit Fluss- oder Waldtotalen einen Takt. Vor allem aber denkt Bagdach immer wieder an Musik. Bei jedem Teilstück der Reise musizieren Menschen am Rand des Geschehens, mit oder ohne Grund. Die Musik ist unterschiedlicher Herkunft und reicht von arabischen Tänzen über deutsches Volksgut bis zur Instrumental-Band oder einem A-cappella-Herrenchor. Das ist nicht aufdringlich und nur selten Teil der Geschichte. Oft ist es einfach eine kleine Zuwendung, die den Protagonisten und dem Publikum einen Moment Lebenszeit versüßt.