Am 8. Januar 1941 stirbt im kenianischen Nyeri ein Engländer. Seinen Geburtsnamen Robert Stephenson Smyth kannten nicht einmal seine Landsleute. Unter seinem von König Edward VII. verliehenen Adelsnamen hingegen kannte ihn die ganze Welt: Lord Baden-Powell, Gründer der heute auf allen Kontinenten vertretenen Welt-Pfadfinderbewegung.
„BiPi“, wie ihn später seine „Boy-Scouts“ nach den Anfangsbuchstaben seines Namens Baden-Powell riefen, wurde am 22. Februar 1857 in London als eines von zehn Kindern eines Theologieprofessors der Universität Oxford geboren. Weil er an dieser Hochschule seines Vaters bei der Aufnahmeprüfung durchrasselte, entschloss sich Robert, die Soldatenlaufbahn einzuschlagen.
Seine militärische Laufbahn führte ihn auch nach Südafrika. 1889 im zweiten Burenkrieg erntete er militärischen Ruhm, als er mit 700 britischen Soldaten die belagerte Stadt Mafeking 217 Tage lang gegen 9000 Buren hielt. Die Beförderung zum Generalmajor, zum Inspekteur der Polizei und der britischen Kavallerie waren der Dank des Königs, der freilich nicht ahnte, dass sich die Gedanken seines scheinbar musterhaften Generals in ganz anderen Bahnen bewegten.
War es die schmutzige Seite des Burenkrieges mit Konzentrationslagern für burische Zivilisten, Frauen und Kinder, die Baden-Powell fortan sein Denken nach Wegen der Friedenserziehung richten ließ? Zweifel am Sinn des Krieges waren ihm jedenfalls längst gekommen. Doch getreu der Parole „right or wrong – my country“ (richtig oder falsch – mein Land)– sprach er diese erst 34 Jahre später aus, nachdem ihm die Truppe ehrenvoll den Abschied gegeben hatte. Und damit schlug dann zugleich auch die Geburtsstunde des „Scoutismus“, des Pfadfinderwesens.
Genau gesagt fing alles in den zwei Wochen vom 25. Juli bis 9. August 1907 an, als „BiPi“ mit 22 Jungen aller sozialen Schichten auf Brownsea Island das erste Jugendzeltlager ausrichtete. Auf seinen Beobachtungen des Sozialverhaltens innerhalb der Gruppe basierten dann die von ihm verfassten Pfadfindergesetze, die auch nach 100 Jahren noch gültig sind: Treue und Gehorsam gegenüber König, Gruppenleitern und Eltern; anderen helfen; jedem Mitpfadfinder Freund und Bruder sein; höflich, tierlieb, fröhlich sowie rein in Gedanken, Wort und Tat zu sein. Klassendünkel war verpönt; eine einheitliche Kluft sollte das auch bereits äußerlich demonstrieren.
Bei vielen Zeitgenossen löste das Wort Pfadfinder Klischeevorstellungen über die Verpflichtung der Pfadfinder aus, „jeden Tag eine gute Tat“ zu vollbringen. Da taucht dann immer wieder der matte Witz vom Boy-Scout auf, der selbst alte Damen über verkehrsreiche Straßen geleitet, die gar nicht auf die andere Straßenseite wollen. Andere können sich Pfadfinder nur als Klampfen spielende Wandervögel auf großer Fahrt in Kohten und Jurten vorstellen.
Zwar spielen Pfad und Lager immer noch eine Rolle, aber längst keine zentrale mehr. Vielmehr setzen sich die Pfadfinder heute gegen soziale Ungerechtigkeiten in der Dritten Welt ein oder nehmen sich Behinderter und Diskriminierter in der eigenen Gesellschaft an.