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Holocaust-Überlebender Weintraub warnt vor AfD

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Rechtsradikalen wirft er Geschichtsvergessenheit vor. Auf Menschen herabzuschauen, führe “geradewegs zur Gaskammer”.

Der Holocaust-Überlebende Leon Weintraub mahnt dazu, nicht die AfD zu wählen. “Die mich gehört haben, werden nicht die AfD wählen. Die wissen, dass krankhafter Nationalismus, der andere Menschen herabsetzt, menschenunwürdig ist”, sagte Weintraub im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Stuttgart.

Der heute in Stockholm lebende Weintraub hat in den vergangenen Jahrzehnten hunderte Vorträge in Schulen und Gedenkstätten über seine schrecklichen Erfahrungen aus der NS-Zeit gehalten. Er stammt aus einer jüdischen Familie im polnischen Lodz und überstand mehrere Konzentrationslager, darunter Auschwitz-Birkenau. Er wird am 1. Januar 100 Jahre alt.

Seine rund 80 Jahre zurückliegenden Erlebnisse sind für ihn nach eigenen Worten keine Vergangenheit. “Es ist traurig, aber es wird immer mehr gegenwärtig”, sagte Weintraub. Der Grund seien “die lauten, unangenehmen Aktivitäten” der Rechtsradikalen. “Auf andere herabzuschauen und sich herauszunehmen, über deren Leben zu entscheiden: Das führt geradewegs zur Gaskammer. Das haben diese Leute vergessen.”

Weintraub rechnet nicht damit, dass in den nächsten zehn Jahren die zumindest in Teilen als rechtsextremistisch eingestufte AfD an die Macht kommt. “Ausgeschlossen!”, sagt Weintraub. Wenn 26 Prozent zur AfD “Ja” sagten, dann sagten 74 Prozent “Nein”.

Weintraub betonte: “Die Rechtsradikalen sind nur besonders laut, sie gieren nach Bedeutung. Aber es ist letztlich eine kleine Minderheit, genauso wie auch Antisemiten eine kleine, aber laute Minorität sind.”

Weintraub zog eine positive Lebensbilanz: “Ich habe etwas bewirkt. Ich habe Spuren hinterlassen.” Er antwortete damit auf die Frage, ob er ähnlich denke wie der frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, der vor seinem Tod 1999 angesichts antisemitischer Tendenzen bilanziert hatte, er habe “fast nichts bewirkt”.

Weintraub sagte: “Dass ich noch Bericht erstatten kann über diese dunkle Wolke in der Weltgeschichte – die zwölf Jahre des sogenannten 1.000-jährigen Reiches. Das ist für mich große Genugtuung und Motivation.” Für die Holocaust-Überlebenden erwachse “eine Verpflichtung daraus, dass es den Nazis nicht gelungen ist, auch uns umzubringen”.