Artikel teilen:

Historiker Großbölting bei Zugunglück gestorben

Er hat sich für die Aufarbeitung unbequemer Themen eingesetzt, darunter sexualisierte Gewalt in den Kirchen. Jetzt ist Thomas Großbölting bei einem Unfall ums Leben gekommen.

Der Hamburger Historiker Thomas Großbölting ist tot. Das teilte die Universität Hamburg am Mittwoch mit. In einem Nachruf heißt es, er sei unter “tragischen Umständen” ums Leben gekommen. Medienberichten zufolge starb der 55-Jährige am Dienstag bei einem Zugunglück in Hamburg.

Großbölting war an zahlreichen Studien zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den Kirchen beteiligt. Jüngstes Projekt war die geplante Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Essener Kardinal Franz Hengsbach. In diesem Zusammenhang war auch eine Biografie geplant. Mit dieser neuen Form der Untersuchung wolle man einen innovativen Akzent setzen, sagte Großbölting im vergangenen Herbst.

Der Präsident der Universität Hamburg, Hauke Heekeren, nannte Großbölting in einem Nachruf “eine prägende Persönlichkeit im Bereich der Neueren Geschichtswissenschaften”. Die Dekanin der Fakultät für Geisteswissenschaften, Silke Segler-Meßner, sagte: “Im Gespräch konnte Thomas Großbölting Studierende und Kolleginnen und Kollegen gleichermaßen begeistern und mitreißen.” Auch habe er eine Leidenschaft für bisweilen unangenehme Themen der Neueren Geschichte gehabt.

Der katholische Bischof von Münster, Felix Genn, zeigte sich “tief erschüttert”. Die Aufarbeitung, mit der das Bistum Münster Großbölting 2019 beauftragt habe, sei für ihn kein Forschungsprojekt wir jedes andere gewesen. “Bei jeder Begegnung mit ihm spürte ich, wie sehr das, was Priester und andere Mitarbeitende der katholischen Kirche Menschen durch sexuellen Missbrauch und seine Vertuschung angetan haben, ihn auch persönlich mitnahm, anrührte und zu Recht zornig machte.” Das Mitglied der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Bistum Münster habe es sich zur Lebensaufgabe gemacht, “sich mit unfassbar großem Engagement für die Betroffenen sexuellen Missbrauchs einzusetzen”.

Großbölting war an der Universität Hamburg Professor für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte, Direktor an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg sowie seit Ende 2022 geschäftsführender Direktor der Akademie der Weltreligionen. Er setzte sich zudem für den interreligiösen Dialog in Hamburg ein. Zuvor war er Professor für Neuere und Neuste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Münster.