Mindestens zehn Tage sollte die Auszeit im Urlaub dauern, damit Erholung nachhaltig wirkt, sagt der Hirnforscher Martin Korte. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt der Wissenschaftler von der Technischen Universität Braunschweig, was in solchen Ruhephasen im Gehirn geschieht und wie sich nach dem Urlaub der Effekt in den Alltag tragen lässt.
epd: Herr Korte, in Niedersachsen und Bremen gehen die Ferien zu Ende und damit für viele auch der Urlaub. Haben Sie Tipps, wie ich nach dem Urlaub die Erholung auch im Alltag noch nachwirken lassen kann?
Martin Korte: Nehmen Sie Gewohnheiten ernst, diese lassen sich nicht allein durch einen zweiwöchigen Urlaub ändern. Es ist also wichtig, zu überlegen, was ist aus dem Urlaub retten und an neuen Gewohnheiten etablieren kann, um alte und möglicherweise schlechte Gewohnheiten loszuwerden.
Während des Urlaubes ist außerdem viel liegen geblieben, auf der Arbeit und zu Hause, was erledigt werden muss. Hier helfen „To-do-Listen“, um das Abarbeiten in Häppchen zu organisieren und trotzdem nichts zu vergessen.
epd: Was bedeutet eigentlich Erholung, was geschieht dabei im menschlichen Gehirn?
Korte: Das Gehirn reagiert sehr empfindlich auf Stress, vor allem kann im hektischen Alltag Stress chronisch werden. Stressreaktionen haben etwas mit einem Alarmzustand des Körpers zu tun, mit der Folge, dass das Gehirn vornehmlich auf äußere Reize achtet. Das macht uns sehr leicht ablenkbar und wir verlieren an Konzentrationsvermögen.
Sind wir im Urlaub und dort weitgehend frei von der Hektik des Alltags, davon Deadlines zu erreichen, Termine zu schaffen, kann das Gehirn sich wieder stärker auf Gehirnareale fokussieren, die auf unsere inneren Wünsche und Ziele ausgerichtet sind. Die Gehirnaktivität geht bei Erholungsphasen quasi von außen nach innen. Zusätzlich werden Stresshormone abgebaut. Der in Stress-Situationen aktive Sympathikus kann sich beruhigen und seine Aktivität herunterfahren.
epd: Welche Auswirkungen haben äußere Rahmenbedingungen wie die Länge des Urlaubes oder das Reiseziel auf den Erholungseffekt?
Korte: Die Länge der Auszeit ist wichtig, es sollten schon mindestens zehn Tage sein, damit der Körper sich vollständig neu wieder ausrichtet. Ob Balkonien oder Mazedonien ist im Grunde egal, aber den meisten Menschen fällt es leichter in einer neuen Umgebung, also auf Reisen, Erholung zu finden und den Alltag hinter sich zu lassen. Meine Empfehlung wäre es deshalb, wann immer möglich, zu reisen. Es ist leichter, mit stressigen Gewohnheiten an einem neuen Ort zu brechen und man erlebt Neues, lernt etwas Neues und das ist anregend, aber nicht stressig. Reisen hält so das Gehirn jung.
epd: Ob ich Action liebe oder das Faulenzen am Strand: Macht das einen Unterschied?
Korte: Die Mischung macht’s. Man sollte Bewegung suchen und neuen Reizen und Erlebnissen nachgehen. Das trainiert das Gehirn. Trainierte Gehirne altern langsamer und man empfindet im Nachhinein den Urlaub auch als reichhaltiger, wenn man viel erlebt hat und damit auch viel erinnern und erzählen kann.
epd: Inwieweit beeinflusst die zunehmende Nutzung von Medien wir Smartphones die Erholung im Urlaub?
Korte: Die Smartphone-Nutzung kann den Erholungseffekt des Urlaubes komplett zunichtemachen. Soziale Medien können ebenso stressen wie Arbeitstermine und wer den Urlaub nur durch das Smartphone sieht, erinnert weniger von der Reise. Der Urlaub ist also auch eine gute Gelegenheit, die Smartphone-Nutzung zu überdenken. So wird auch die Versuchung geringer, Mails und andere Nachrichten von der Arbeit zu lesen. Das führt ansonsten zu unnötigem Druck und zu dem Stress, dem man eigentlich entkommen möchte.
epd: Welche Bedeutung haben Erholungsphasen für den Einzelnen und möglicherweise sogar gesamtgesellschaftlich?