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Goethe-Haus in Rom zeigt Schau über Dichterin Ingeborg Bachmann

Sie war eine der schillerndsten Künstlerinnen ihrer Zeit. Nun zeigt das Goethe-Haus Rom zahlreiche Fotos, Briefe und Dokumente über die Österreicherin Ingeborg Bachmann, die Italien so liebte – und in Rom tragisch starb.

“Der Kaffee ist schlecht in München, der Herbst ausnahmsweise ganz schön, aber für verwöhnte römische Augen ist er auch kein Trost”, schrieb Ingeborg Bachmann im Oktober 1957 an ihren Schriftstellerkollegen Hermann Kesten. Da hatte die Österreicherin schon fünf Jahre die Freuden des Südens genossen: Ischia, Neapel und vor allem Rom, wo sie bis zu ihrem tragischen Tod im Oktober 1973 bleiben sollte.

In nur 47 Lebensjahren hat Bachmann, die am 25. Juni 1926 in Klagenfurt am Wörthersee geboren wurde und im Dreiländereck zwischen Slowenien und Italien aufwuchs, nicht nur die Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts geprägt; sie wurde auch zur Medien- und Stilikone. Unzählige Fotos gibt es von der Frau mit den sanften braunen Augen, die sich stets nach der neusten Mode kleidete. Bereits 1954 machte der “Spiegel” sie zum “Cover-Girl”: Unter der Überschrift “Neue römische Elegien” – frei nach Goethe – widmete er der jungen Autorin eine Titelgeschichte.

Ab Donnerstag zeigt das Museum Casa di Goethe in Rom, wo der ebenfalls Italien-verliebte Dichterfürst zwischen 1786 und 1788 lebte, unter dem Titel “Ich existiere nur, wenn ich schreibe” eine umfassende Ausstellung über Bachmann und die Menschen und Orte, die sie prägten. Darin sind rund 40 großformatige Bilder zu sehen, daneben Briefe, Bücher und weitere Dokumente sowie der letzte, 1973 entstandene Dokumentarfilm von Gerda Haller, in dem man Bachmann, begleitet von ihrer Stimme, durch Rom folgt.

“Die Ehe ist eine unmögliche Institution”, sagt sie in dem Film. “Sie ist unmöglich für eine Frau, die arbeitet. Die denkt und selber etwas will.” Tatsächlich hat die frühe Feministin nie geheiratet, aber eine Vielzahl von Beziehungen oder enge Freundschaften etwa mit Kollegen wie Max Frisch, Paul Celan, Hans Magnus Enzensberger, dem Komponisten Hans Werner Henze und dem späteren US-Außenminister Henry Kissinger gepflegt.

Früh erhielt die promovierte Philosophin einen Preis der Gruppe 47, quasi der Ritterschlag für die Autorin, die auch zeitweilig journalistisch tätig war. Mit ihren Werken – etwa der Erzählung “Das Honditschkreuz” (1944), den berühmten Gedichtbänden “Die gestundete Zeit” (1953) und “Anrufung des großen Bären” (1956) sowie ihrem einzigen Roman “Malina” (1971) – schlug sie einen neuen, ebenso radikalen wie poetischen Ton an. Als erste Autorin der Nachkriegszeit habe Bachmann herausgearbeitet, wie faschistische Mentalitäten im vermeintlichen Frieden fortdauerten, so ihre Landsfrau und Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

Bachmanns unbeschwerte Kindheit wurde 1938 mit dem Einmarsch von Hitlers Truppen “zertrümmert”. Die Zugehörigkeit des Vaters zur NSDAP blieb lebenslang ein ebenso schmerzliches wie tabubesetztes Thema für die älteste von drei Geschwistern. Über Italien, wo sie als freie Schriftstellerin aufblühte, sagte sie: “Es sind nicht die Schönheiten, nicht die Orangenbäume und nicht die herrliche Architektur, sondern die Art zu leben. Ich habe hier leben gelernt.”

Ihre Haltung zu Themen wie Krieg und Terror, die Rolle der Frau oder soziale Gerechtigkeit wirkt heute ebenso aktuell wie vor 50 Jahren. “Ich glaube nicht an diesen Materialismus, an diese Konsumgesellschaft, an diesen Kapitalismus, an diese Ungeheuerlichkeit, die hier stattfindet, an diese Bereicherung der Leute, die kein Recht haben, sich an uns zu bereichern”, so Ingeborg Bachmann. An der Utopie einer gewaltfreien Gesellschaft hat die ebenso selbstbewusste wie sensible Künstlerin lebenslang festgehalten. “Denn wenn ich nicht daran glauben kann, kann ich auch nicht mehr schreiben.”

Im September 1973 kam es zu einem Brand in ihrer Wohnung, der fünften, die sie in Rom bezogen hatte. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo man die schwer medikamentenabhängige und alkoholkranke Autorin jedoch vermutlich falsch behandelte. Sie starb am 17. Oktober 1973. Seit 1976 erinnert die Stadt Klagenfurt mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis an die große Schriftstellerin. Die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung wird jährlich während der Tage der deutschsprachigen Literatur (25.-29.06.2025) verliehen.