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Geld für Flüchtlingshilfe kommt nicht immer an

Die Willkommenskultur soll mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Doch gerade bei vielen kleinen Initiativen kommt die Förderung laut einer Studie nicht an. Experten schlagen Lösungen vor.

Viele Initiativen – auch für Sprachkurse – bekommen keine Gelder
Viele Initiativen – auch für Sprachkurse – bekommen keine GelderChristian-Ditsch.de / epd

Gütersloh/Berlin. Trotz vorhandener Fördermittel gehen vor allem kleinere Initiativen der Flüchtlingshilfe oft leer aus. 37 Prozent der untersuchten Freiwilligenprojekte nehmen keine öffentlichen Gelder in Anspruch, wie aus einer Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Hindernis sei unter anderem der hohe Aufwand bei der Antragstellung. Die Bertelsmann-Stiftung, Flüchtlingsinitiativen und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), mahnten eine unbürokratischere Praxis bei der Vergabe von Fördermitteln an.
Hohe Hürden führten häufig dazu, dass Anträge erst gar nicht gestellt würden, heißt es in der Studie. So müssten die Förderungen in der Regel beantragt werden, bevor die Projekte umgesetzt werden. Bereits laufende Projekte erhielten daher oft keine Fördermittel. 70 Prozent der befragten Initiativen sehen laut Studie zudem einen zu hohen Zeitaufwand für die Antragstellung. Jede zweite bemängele fehlende Informationen.

"Förderlandschaft neu denken"

Öffentliche Mittel gehen der Untersuchung zufolge vor allem an bereits etablierte Träger, wie bereits bestehende Vereine und Verbände. Sowohl Initiativen als auch Vereine und Kirchen bestreiten demnach den größten Teil ihrer Mittel aus privaten Spenden.
Die Autoren der Studie fordern eine Vereinfachung des Vergabeverfahrens. So könnten Akteure vor Ort, etwa Freiwilligenagenturen, als Vermittler eingesetzt werden. Nötig sei es zudem, niedrigschwelligere Förderungen anzubieten und mehr Informationsangebote zu schaffen.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), plädierte dafür, "die Förderlandschaft neu zu denken". Hunderttausende Bürger hätten in den vergangenen Jahren spontan dort geholfen, wo die Not am größten gewesen sei und staatliche Systeme nicht ausgereicht hätten, erklärte sie in Berlin. Die Zusammenarbeit mit etablierten Trägern wie Verbänden bleibe wichtig. Zugleich müsse eine effektive Flüchtlingshilfe Fördermöglichkeiten vor Ort für kleinere oder nicht etablierte Träger sowie für Initiativen und Migrantenorganisationen bereitstellen können. Die öffentliche Hand müsse auch bereit sein, Initiativen zu unterstützen, die nicht in die etablierte Förderstruktur passten.

Im Grundsatz richtig

Auch der Bundesverband Netzwerk von Migrantenorganisationen (Nemo) mahnte unbürokratischere und ortsnähere Förderung von Flüchtlingsprojekten an. Zentral vergebene Fördermittel seien oft an Bedingungen geknüpft, die zwar im Grundsatz richtig seien, aber nicht immer mit der Wirklichkeit der verschiedenen örtlichen Gegebenheiten übereinstimmten, sagte Ismail Köylüoglo vom Bundesverband dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Diakonie Deutschland forderte ebenfalls leichtere Zugänge zu Fördermitteln. Flüchtlingsinitiativen und auch etablierte Träger könnten oft die geforderten Eigenmittel nicht aufbringen, erklärte der Wohlfahrtsverband in Berlin. Diakonie und Kirchengemeinden arbeiten mit Freiwilligen und Flüchtlingsinitiativen zusammen und unterstützen ihre Arbeit mit kirchlichen Mitteln.
Für die Studie "Fördermittel in der Flüchtlingshilfe. Was gebraucht wird – was ankommt" wurde zwischen Februar und April 2017 in den vier Bundesländern Bayern, Berlin, Niedersachsen und Thüringen 34 Interviews mit Initiativen, Trägern und Fördermittelgebern geführt. Ergänzend wurden 556 Organisationen online befragt. (epd)