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Für eine neue Ehrlichkeit

Christliche Unternehmerverbände und Kirchenvertreter zeigten sich fassungslos über den Betrug mit Abgaswerten bei Volkswagen

WÜRZBURG/KARLSRUHE/HANNOVER/MÜNCHEN – Mit Verständnislosigkeit und Forderungen nach einem Umdenken in der Wirtschaft haben Kirchenvertreter und christliche Unternehmerverbände in Deutschland auf den VW-Skandal reagiert. Der Konzern hatte eingeräumt, den Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben, um die US-Vorschriften für die Abgaswerte zu erfüllen.
Der Generalsekretär des Verbandes „Christen in der Wirtschaft“ (CiW), Hans-Martin Stäbler (Würzburg), sagte, VW habe durch sein Fehlverhalten international das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft beschädigt, weil der Konzern als Vorzeigeunternehmen gelte. Stäbler: „Wir brauchen eine Neubesinnung in der deutschen Wirtschaft und eine neue Ehrlichkeit im Wirtschaftsleben.“ Er freue sich, so Stäbler, wenn deutsche Unternehmen erfolgreich seien: „Aber der Erfolg muss ehrlich erworben sein – nicht mit Tricks und Lügen.“ Letztendlich zahlten die Mitarbeiter die Zeche. Ein Wachstum um jeden Preis zerstöre die menschlichen Lebensgrundlagen.
Der Geschäftsführer des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU), Stephan Klinghardt (Karlsruhe), zeigte sich ebenfalls fassungslos: „Was VW in den USA getan hat, ist ein eklatanter, vorsätzlicher und unentschuldbarer Verstoß gegen staatliche Vorgaben. Das geht gar nicht.“ Dieser Vorgang werde zu Recht straf- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. VW habe auch das Vertrauen der Kunden unterlaufen, weil sie sich auf Angaben des Herstellers bei den Abgaswerten verlassen.
Aus Sicht des evangelischen Landesbischofs Ralf Meister aus Hannover wird VW viele Jahre brauchen, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. „Das Erschütternde ist die Einsicht, dass bei großen Wirtschaftsunternehmen Ehrlichkeit scheinbar keinen Wert hat“, sagte der evangelische Theologe. Meister führte dies auf den hohen Erfolgsdruck in einer globalisierten Wirtschaft zurück. „Dieser Druck zum Erfolg ist so groß, dass Grundkategorien, die für einen ehrbaren Kaufmann selbstverständlich waren, heute nicht mehr gelten oder nicht mehr so hochgehalten werden.“ Jede Gesellschaft lebe jedoch davon, dass Personen und Institutionen ehrlich sein müssten, unterstrich Meister. Ohne dieses Vertrauen sei der Zusammenhalt gefährdet (
 Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kann dem Abgas-Skandal auch positive Seiten abgewinnen. Für die Kunden sei die Umweltfreundlichkeit beim Autokauf inzwischen ein so wichtiger Aspekt geworden, dass die Autobauer zu Regelverletzungen verführt würden, sagte Heinrich Bedford-Strohm in München. Dass ein niedriger Schadstoff-Ausstoß heute ein so ausschlaggebender Werbefaktor sei, sei ein „großer Erfolg der Zivilgesellschaft“. Dennoch müssten sich die Verbraucher natürlich auf die Angaben der Autobauer verlassen können. idea/epd