Prozession war gestern: Eine Kirchengemeinde in Krefeld probiert an Fronleichnam neue Formen der Festtagsgestaltung. Wer das skeptisch beobachtet und wo Chancen liegen.
Zu Fronleichnam gehört nach landläufiger Meinung ein festlicher Gottesdienst mit großer Prozession durch die Stadt. Aber muss das so sein? Ein Pfarrer in Krefeld geht mit seiner Gemeinde neue Wege. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt Frank Schürkens, wie es dazu kam und wie die neuen Formen des Feierns in der Pfarrei ankommen.
Schürkens, 47, leitet die Pfarrei Sankt Christophorus im Pastoralen Raum Krefeld-Meerbusch. Als er 2019 hierher kam, fand er keine Schützenbruderschaften vor, die in der Organisation von feierlichen Fronleichnamsprozessionen geübt sind, wie das in seiner vorherigen Pfarrei der Fall war. “Und dann war die Frage: Was machen wir? Eine vernünftige, würdige Fronleichnamsprozession, mit Musik und schön gestaltet – wo man nachher sagen kann: Wow, das war aber ein Glaubensfest.” Das schien ihm hier nur schwer möglich.
So sei die Idee entstanden, bei der Feier von Fronleichnam weniger Wert auf die Prozession zu legen, sondern die Eucharistie als gemeinsames Mahl in den Mittelpunkt zu stellen. Im Anschluss an einen ganz traditionellen Fronleichnamsgottesdienst sei man im vergangenen Jahr in Sankt Josef erstmals nicht zur Prozession aufgebrochen, sondern habe die Gemeinde zum gemeinschaftlichen Festmahl auf dem Platz eingeladen, auf dem zuvor der Gottesdienst gefeiert wurde. “Wir haben jede zweite Bank rausgenommen und dafür Biertischgarnituren reingestellt”, erklärt Schürkens.
Zuvor konnten sich Interessierte als “Gastgeber” melden, und dafür sorgen, dass “ihr” Tisch schön gedeckt wurde. Zwei unterschiedliche Suppen stellte die Gemeinde, die Schützen den Bierpilz, und alle haben mit angepackt. Nach der Messe um 10 Uhr haben die Menschen zusammen gegessen, und “bestimmt noch bis 15 Uhr zusammengesessen”, so Schürkens.
Überrascht hat das Seelsorgeteam, woher Zustimmung und Kritik an der neuen Art, Fronleichnam zu feiern, kamen: Eigentlich hatte man gehofft, die Familien der Erstkommunionkinder, die an Fronleichnam traditionell noch einmal in ihren festlichen Kleidern zum Gottesdienst kommen dürfen, für das gemeinsame Festmahl zu gewinnen. Doch Fehlanzeige: Gerade einmal vier von 120 Erstkommunion-Familien nahmen das Angebot an. Über den Tag der Erstkommunion hinaus waren die wenigsten Familien für kirchliche Aktivitäten zu begeistern.
“Eingeschlagen wie eine Bombe” sei die Feier dagegen bei den älteren Mitchristen, erinnert sich Schürkens. Ein Sohn habe zum Beispiel zu seiner gehbehinderten Mutter gesagt: “Wenn heute Prozession gewesen wäre, wärst du jetzt nicht hier.” Zwei ältere Paare, die schon lange Nachbarn seien und sich nur vom Sehen kannten, hätten bei dem Fest zum ersten Mal miteinander gesprochen, berichtet der Pfarrer. “Es entwickelte sich auf dem Festplatz eine total schöne Atmosphäre.” Rund 300 Menschen waren dabei. Er hoffe bei der Wiederholung in diesem Jahr auf ähnlich große Beteiligung, sagt Schürkens.
Im Großraum Krefeld gibt es in der Innenstadt nach wie vor ein Fronleichnamsfest mit Prozession, so dass jeder, der darauf nicht verzichten möchte, dorthin gehen kann. Doch: “Auch bei uns bricht die Volkskirche letztendlich ein”, beobachtet Schürkens. So sei für ihn in Zeiten des Umbruchs wichtig: “Diese Form der Fronleichnamsfeier ist auch ohne Geistlichen zu leisten.” Ein Gottesdienst mit Kommunionausteilung sei am Festtag kirchenrechtlich erlaubt, die Aussetzung des Allerheiligsten auch – eine Prozession ohne Geistlichen dagegen nicht. “Insofern ist eigentlich die Idee gewesen: Wie rette ich das Fronleichnamsfest?”
Davon, dass es diese Rettungsversuche braucht, sind laut Schürkens viele kirchlich Engagierten zwischen Ende 40 und Anfang 60 nur schwer zu überzeugen. Die würden “noch davon träumen, dass alles so bleibt, wie es war” und dass sie das, womit sie groß geworden sind, für die nächste Generation erhalten könnten. Ihnen sei kaum klarzumachen, “dass sie nur die Augen aufmachen müssten, um zu wissen, dass nichts mehr so ist, wie es mal war”, berichtet der Pfarrer.
Schürkens und sein Seelsorgeteam überlegen dagegen, wie sie jüngere Menschen mit Angeboten, die zu ihnen passen, erreichen können. So gibt es in Krefeld seit drei Jahren einen Pilgertag für Vorschulkinder, der begeistert angenommen werde.
Und für die Gestaltung des Heiligen Abends in der Pfarrkirche dürfe er wegen drohender Überfüllung eigentlich gar keine Werbung mehr machen, sagt Schürkens und schmunzelt. Denn am 24. Dezember gibt es in Sankt Gertrudis keine großen Weihnachtsgottesdienste mehr, sondern Kleingottesdienste an der Krippe.
Von morgens gegen 10 Uhr bis in den späten Nachmittag werde der Turmbereich zu Themen wie “Weihnachten durchs Schlüsselloch” oder “Ein Licht in dir geborgen” thematisch gestaltet – so dass spontan eintreffende Familien erstmal etwas zu Betrachten haben. “Immer, wenn sich dann eine gewisse Gruppe von Menschen mit Kindern gebildet hat, geht man gemeinschaftlich zur Krippe, um dort einen kurzen Gottesdienst zu feiern”, sagt der Pfarrer. So bestehe den ganzen Tag über die Möglichkeit zu einem spontanen Kirchbesuch.
Diese Art der Weihnachtsfeier sei durch Corona entstanden. Als große Gottesdienste verboten waren, hatte das Seelsorgeteam Stationengottesdienste im Park angeboten. Daraus entwickelte sich in den folgenden Jahren das aktuelle Format, das langsam an seine Kapazitätsgrenzen stößt: 800 bis 1.000 Menschen seien zuletzt an Heiligabend in die Pfarrkirche gekommen. So habe die Gemeinde nicht nur die Menschen erreicht, die andernfalls auch die großen Weihnachtsgottesdienste besucht hätten. Zu den 11 bis 14 Kurzgottesdiensten seien auch Menschen gekommen, die sonst keinen Draht mehr zur Kirche haben.
“Es kommen ganz viele, die sich sozusagen dem Stress des Weihnachtsgottesdienstes nicht aussetzen wollen.” Oft müsse man Ehrenamtliche erst überzeugen: “Ihr tut damit echt was Christliches, weil ihr Menschen eine Berührung mit der Weihnachtsgeschichte ermöglicht, die sie sonst nicht mehr hätten.”
Für Schürkens sind seine neuen Wege ein Anknüpfen an alte Traditionen – mit den Augen und den Bedürfnissen der Menschen von heute. Er ist überzeugt: Manchmal müsse man Antworten ein bisschen anders geben als früher, damit die Menschen merkten: Ja, auch mein Leben wird von der Wahrheit des Glaubens angesprochen.