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Frischwärts zu neuen Ufern

Wie in Lüdenscheid, Minden und Witten machen sich vielerorts Christinnen und Christen auf mit frischen Ideen, um mit anderen ins Gespräch zu kommen über Gott und die Welt. Für alle, die träumen, querdenken, aufbrechen, gibt es jetzt einen Netzwerktag

Detlef Mueller, Minden - 0571 38

Seltsames geschieht in diesen Tagen. Drei junge Ehepaare aus Lüdenscheid renovieren einen ehemaligen Buchladen und laden danach Passanten, Mütter mit ihren Kindern, junge Leute wie Erwachsene in ihre „Gute Stube“ ein, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen – über den Alltag, den Beruf und den christlichen Glauben.
In Minden wird ein ehemaliges Pfarrhaus zur „Simeons Herberge“ umgebaut und öffnet täglich seine Türen. Ein Raum der Begegnung für die Menschen im Viertel will diese Herberge sein, aber zugleich auch Pilgernden auf ihrer Reise eine Unterkunft für die Nacht anbieten.
In Witten treffen sich einmal monatlich über 50 Menschen aus allen Generationen im Kulturzentrum zum „ZeitRaum“, einem offenen Angebot für jedermann. Hier tauschen sie sich miteinander aus, kommen mit Künstlerinnen und Musikern, mit Handwerkern und Händlerinnen der Region ins Gespräch. Reden über „Kunst und Kultur. Über Menschen und Möglichkeiten. Über Gott und die Welt“ und bekommen so neue Impulse für sich und ihr Leben.
Es sind Initiativen wie diese, die seit einigen Jahren von vielen Christinnen und Christen in Westfalen sowie in ganz Deutschland ausprobiert und gewagt werden. Sie kommen aus der evangelischen oder katholischen Kirche, aus freien Gemeinden oder dem CVJM, finden sich in der Stadt ebenso wie auf dem Land.
So verschieden all diese krea­tiven Aufbrüche auch sind, ihnen gemeinsam ist, dass sie nicht bleiben, wo sie sind. Sondern sich neu auf den Weg machen, hinausgehen an die „Hecken und Zäune“, wie es im Lukasevangelium heißt (Kapitel 14, Vers 23).
Denn ihre Erfahrung ist: Viele Menschen, nicht nur Jüngere, auch Ältere, lassen sich nicht mehr einfach so in den Gottesdienst, eine Gemeindegruppe oder den Kirchenchor einladen. Sie sind zurückhaltend, wenn es darum geht, „einfach mal vorbeizuschauen“, fühlen sich in der Kirche fremd oder haben keinerlei Bezug mehr zum christlichen Glauben.
Wenn sie aber nicht kommen (wollen), wieso gehen wir dann nicht einfach zu ihnen? Und kommen dort, wo diese Menschen leben, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen, mit ihnen ins Gespräch – in einer Buchhandlung, einer „Herberge“ oder eben einem Kulturzentrum?
Was aus diesem Hinausgehen erwächst, ist dabei nicht von vornherein absehbar. Einige dieser „Pioniere“ möchten vielleicht eine „Fresh Expressions of Church“ gründen nach dem Vorbild der Anglikanischen Kirche in England. Sie nehmen die Impulse auf und versuchen selbst, eine „neue Ausdrucksform von Gemeinde“ – so die deutsche Übersetzung – zu entwickeln und zu leben. Andere wissen noch gar nicht, wo ihr Weg sie hinführt, was aus dem, was sie ausprobieren, entstehen könnte.
Doch ihr gemeinsames Ziel ist es, mit den Menschen in ihrer Umgebung und besonders denen, die sich längst von Kirche und Gott verabschiedet haben, wieder ins Gespräch zu kommen. Und dann gemeinsam mit ihnen zu entdecken, was der christliche Glaube für ihr Leben heute vielleicht bedeuten könnte.
Es sind offene Experimente, bei denen nicht zu Beginn klar ist, was geschieht, wer kommen und wie sich diese Idee entwickeln wird. Es ist Reise und geistliches Wagnis zugleich, getragen von viel Kreativität und einer erfrischenden Neugier auf die Menschen und ihr Leben.
Bei all dem, was probiert, gewagt, versucht wird, kann es hilfreich sein, sich einmal Zeit zu nehmen, um sich mit denen, die ebenfalls „nach draußen“ unterwegs sind, auszutauschen. Darum bietet das Amt für missionarische Dienste am 7. Oktober einen „Netzwerktag“ an (siehe Kasten). Hier soll Gelegenheit sein, andere Pionierinnen und Pioniere kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen und neue Impulse für die eigene Arbeit zu bekommen, unter anderem zu Themen wie „Gewinnung von Mitarbeitenden“ und zu Finanzierungs- wie zu (kirchen-)rechtlichen Fragen.
Neben verschiedenen Initiativen aus Westfalen, die sich an diesem Tag dort präsentieren, werden auch Damaris Binder aus Stuttgart und Björn Völkers aus Oldenburg zu Gast sein und über ihre kreativen Experimente berichten. Ihre Ideen führten sie dazu, an äußerst ungewöhnlichen Orten Kirche zu wagen: im Nagelstudio „NailX“ beziehungsweise im Tattoostudio „LaDonna“!
Der Netzwerktag richtet sich an alle, die bereits eine Initiative oder eine „Fresh Expressions of Church leiten“ oder planen, etwas Neues aufzubauen, sowie an Multiplikatoren, die mit den Themen „Fresh Expressions“ und neuen kirchlichen Initiativen befasst sind.