Die Polizei hat im vergangenen Jahr mehr Gewalttaten in Familien und unter (Ex-)Partnern registriert als 2022. Innen- und Familienministerin wollen dem Problem mit verschiedenen Mitteln begegnen.
Frauen sollen in Deutschland nach dem Willen der Bundesinnen- und der Bundesfrauenministerin künftig besser vor Gewalt geschützt werden. Dazu seien unter anderem ein Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung, mehr Plätze in Frauenhäusern und Hilfeangebote sowie verpflichtende Anti-Gewalttrainings für potenzielle Täter nötig. Das erklärten Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Freitag in Berlin bei der Vorstellung des Lagebildes “Häusliche Gewalt” für 2023.
Danach ist die Zahl der von der Polizei registrierten Opfer im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent auf rund 256.000 weiter angestiegen. Innerhalb von fünf Jahren liegt die Zunahme sogar bei fast 20 Prozent. Rund 70 Prozent der im vergangenen Jahr erfassten Opfer waren weiblich. Zwei Drittel erlitten Gewalt in (Ex-)Partnerschaften, ein Drittel in der Familie. In vielen Fällen geht es um Körperverletzung. Aber auch Bedrohungen, Stalking, Nötigung oder sexueller Missbrauch und sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zählen zur häuslichen Gewalt.
“Jeden Tag werden in Deutschland im Durchschnitt über 700 Menschen Opfer von häuslicher Gewalt”, sagte Faeser. Die Tatverdächtigen seien in drei von vier Fällen Männer. 155 Frauen seien durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet worden. “Wenn Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind, müssen wir diese Taten auch als das bezeichnen, was sie sind, nämlich Femizide.” Man dürfe diese Taten nicht als “Beziehungstragödien oder Eifersuchtsdramen” verharmlosen. “Wir müssen als Gesellschaft sehr, sehr deutlich machen, dass wir hinschauen, eingreifen und Gewalt keineswegs akzeptieren.”
Nötig seien vor allem einfache und schnell zu erreichende Hilfsangebote, sagte Faeser weiter. Der Opferschutz müsse früher ansetzen, damit es gar nicht erst zu den furchtbaren Taten komme. Es sei entscheidend, die Gewaltspirale zu stoppen. Täter müssten ihr aggressives Verhalten beenden und sich selbst verändern. Dazu seien nach dem Vorbild Österreichs verpflichtende Anti-Gewalttrainings nötig, mit empfindlichen Strafen bei Nicht-Teilnahme. Kontaktverbote müssten wirkungsvoller werden.
Mit den Ländern sei sie auch in Beratungen zur Überwachung mit elektronischen Fußfesseln, so die Innenministerin. Die Bundespolizei baue zudem rund um die Uhr zugängliche Anlaufstellen vor allem an Bahnhöfen auf.
Familienministerin Paus versprach, noch in dieser Wahlperiode ein Gewalthilfegesetz mit einem Anspruch auf Schutz und Beratung umzusetzen. Dass Gewalt insbesondere gegen Frauen ein alltägliches Phänomen sei, sei ein Skandal. Das geplante Gesetz solle die Grundlage für ein verlässliches und dem Bedarf entsprechendes Hilfesystem schaffen, das in Städten und auf dem Land erreichbar sei. Die bundesweit 350 Frauenhäuser, 100 Schutzwohnungen und mehr als 600 Beratungsstellen reichten nicht aus. Der Bund werde mit dem Gesetz in die gemeinsame Finanzierung der Anlaufstellen einsteigen, so Paus.
Gewalt gegen Frauen sei ein Thema, das durch alle Milieus gehe: “Geprügelt und geschlagen wird überall”, sagte die Ministerin. Auch psychische Gewalt komme in jeder Schicht und in jedem Milieu vor. Paus wies zudem darauf hin, dass Kinder im Bereich der Partnerschaftsgewalt oft mitbetroffen seien oder selbst Opfer von Gewalt würden. Auch sie brauchten Unterstützung.
Die Vizepräsidentin des Bundeskriminalamtes (BKA), Martina Link, erklärte, man könne nicht abschließend beurteilen, ob der Anstieg in der Statistik auf einer tatsächlichen Zunahme der Straftaten beruhe oder darauf, dass mehr Taten zur Anzeige gebracht würden. Im kommenden Jahr soll dazu eine sogenannte Dunkelfeldstudie vorgelegt werden. Im Lagebild sind nur die Fälle im sogenannten Hellfeld enthalten, die von der Polizei registriert wurden.