Vor zehn Jahren, am 4. April 2014, wurde die Fotojournalistin Anja Niedringhaus während ihrer Arbeit in Afghanistan von einem Attentäter erschossen. Seit einem Jahr erinnert ihre Heimatstadt Höxter (Nordrhein-Westfalen) an die international bekannte Fotografin, die ab 1986 in Göttingen Germanistik und Journalismus studierte und parallel als Lokaljournalistin arbeitete, bevor sie aus Krisengebieten in aller Welt für Nachrichtenagenturen Fotos lieferte. 2005 bekam sie dafür als erste deutsche Frau den renommierten Pulitzerpreis.
Das „Forum Anja Niedringhaus“ zeigt von ihr in einem historischen Gebäude mitten in der Höxter Innenstadt großformatige Fotos aus Afghanistan, Libyen, Pakistan, dem ehemaligen Jugoslawien, dem Irak und dem Gaza-Streifen.
Ein Auge für Details im Kriegschaos
Zu ihren berühmtesten Aufnahmen, die weltweit in Zeitungen erschienen, gehören Bilder von den zerstörten Tanklastwagen im afghanischen Kundus, die 2009 auf Befehl des deutschen Oberst Georg Klein angegriffen wurden. Dabei starben mehr als 90 Menschen, was die Bundeswehr anfangs bestritt. „Wenn ich es nicht fotografiere, wird es nicht bekannt“, lautete das Motto der Kriegsberichterstatterin.
Niedringhaus, Jahrgang 1965, lenkt mit ihren Fotos den Blick oft auf kleine Details im Kriegschaos. Da jagt ein kanadischer Soldat ein Huhn durch enge Gänge, kurz bevor seine Einheit während einer Patrouille in der Nähe von Kandahar von Granaten angegriffen wird. Sie fotografiert einen US-Soldaten in der irakischen Stadt Falludschah so von hinten, dass man ein Maskottchen als Glücksbringer an seinem Rucksack sieht. Sie lichtet einen schwer verletzten US-Soldaten nach einem Angriff in Großaufnahme ab wie auch eine verschleierte Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm, die angesichts von Rauchschwaden am Himmel nach einem Angriff aus der irakischen Stadt Basra flieht.
„Mit Panzern löst man keine Probleme“
Die Ausstellung zeigt eine blaue Burka, in der Niedringhaus häufiger unterwegs war, um sich so sicher auf den Straßen Afghanistans fortzubewegen und nicht aufzufallen. Sie suchte das Gespräch mit einheimischen Frauen und gewann ihr Vertrauen, was sich zum Beispiel in einem Foto zeigt, auf dem eine Mutter ihr Baby wickelt, während sie in einem Geschäft auf die Anprobe einer neuen Burka wartet.
Niedringhaus hält mit ihrer Kamera häufig lachende Kinder zum Beispiel beim Spielen in Trümmern fest. Sie will den Lebenswillen mitten in Notsituationen zeigen und betont: „Ich habe selten ein Volk gesehen, das so herzlich ist“ – mit ein Grund, dass Niedringhaus immer wieder nach Afghanistan reiste, um die Entwicklung mit ihrer Kamera zu dokumentieren.
Sportfotografien als Ausgleich
Das Anja Niedringhaus Forum zeigt auf rund 200 Quadratmetern neben großformatigen Kriegsfotos auch Sportaufnahmen zum Beispiel von großen Tennisturnieren und den Olympischen Spielen – die Fotografin arbeitete für die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press auch als Sportfotografin. „Das war für sie ein wichtiger Ausgleich zur Arbeit in Krisengebieten“, sagt Ludger Haferkemper vom Vorstand des „Forums Anja Niedringhaus – Verein für künstlerische und journalistische Fotografie“. Besucher können sich zudem allgemein über Themen wie Pressefreiheit und Fotojournalismus informieren.
Zeit sollte man sich auch für die Filme nehmen, in denen Niedringhaus über ihre Arbeit spricht. In einem ihrer letzten Interviews wird sie gefragt, ob ihre Arbeit ihren Blick auf Kriege verändert habe. Ihre Antwort: „Auf jeden Fall. Wir glauben im Westen immer noch, dass man Frieden mit Militärs und Waffen herstellen kann. Aber damit erreicht man nichts. Ich bin zur größten Pazifistin geworden, seit ich in diesen Gebieten arbeite. Mit Panzern löst man keine Probleme.“
Bis 30. November im Forum Anja Niedringhaus, Westerbachstr. 33, Höxter, Di-So 10-17 Uhr. Infos unter www.forum-anja-niedringhaus.de