Erneut ein Israel-Eklat bei einer Kulturveranstaltung: Vertreter aus Politik und Kultur verurteilen gegen Israel gerichtete Äußerungen zum Abschluss der Berlinale. Nicht nur der Zentralrat der Juden fordert Konsequenzen.
Nach kritischen Äußerungen zum Vorgehen Israels im Gaza-Krieg bei der Abschlussgala der Berlinale fordern jüdische Vertreter und Politiker Konsequenzen – auch für die staatliche Kulturförderung. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kritisierte die geäußerte Israelkritik und kündigte eine Prüfung an, um sicherzustellen, “dass die Berlinale ein Ort ist, der frei ist von Hass, Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form von Menschenfeindlichkeit”. Der Zentralrat der Juden in Deutschland vermisste hingegen ein deutliches Signal schon während der Gala.
“Hetze gegen Israel und Juden auf deutschen Kulturveranstaltungen ist eine erschreckende Regelmäßigkeit geworden”, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der “Bild”-Zeitung (Montag). “Schon wieder ducken sich bei der Berlinale viele politisch Verantwortliche weg und haben nicht den Mut, gegen Applaus für Israelhass aufzustehen.” Auch die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland forderte, “eine klare deutliche Linie gegen Antisemitismus und israelfeindliche Positionen zu beziehen”.
Bei der Preisverleihung der 74. Berlinale am Samstagabend war mehrfach scharfe Kritik an Israel geübt worden. Redner sprachen etwa von “Apartheid” im besetzten Westjordanland, viele verlangten einen Waffenstillstand im Gazastreifen. Auch die Forderung nach einem Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel erhielt Applaus – ebenso wie die Aussagen des Regisseurs Ben Russell, der ein Palästinensertuch trug und erklärte: “Natürlich sind wir gegen den Genozid. Wir stehen in Solidarität mit all unseren Kameraden.”
Nach den Worten der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann betonte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass eine “derartig einseitige Positionierung nicht stehengelassen werden kann”. In jeder Debatte müsse auch das Ereignis benannt werden, das die erneute Eskalation des Nahostkonflikts ausgelöst habe, nämlich der Überfall der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober.
Die Berlinale-Leitung hatte zuvor erklärt, man verstehe, wenn die Äußerungen einiger Preisträger als zu einseitig empfunden worden seien. Diese seien jedoch unabhängige individuelle Meinungen, die “in keiner Form die Haltung des Festivals” wiedergäben. “Solange sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegen, müssen wir sie akzeptieren”, hieß es. Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek habe in ihrer Rede auf der Bühne die mörderische Attacke der Hamas verurteilt und die Freilassung der Geiseln gefordert sowie an das Leid aller Opfer der Gewalt in Israel und in Gaza erinnert. Damit habe sich die Leitung eindeutig positioniert.
Kulturstaatsministerin Roth will die Vorkommnisse nun gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU), aufarbeiten und mit der neuen Intendantin der Berlinale, Tricia Tuttle, das Gespräch suchen, um derartiges künftig zu verhindern. Die Äußerungen bei der Bärenverleihung seien “erschreckend einseitig und von einem tiefgehenden Israel-Hass geprägt” gewesen, sagte Roth am Montag auf Anfrage. Dabei sei aber “ganz klar, dass an der künstlerischen Freiheit und Unabhängigkeit der Berlinale nicht gerüttelt werden darf”. Entsprechende Forderungen weise sie deutlich zurück. “Allerdings geht diese kuratorische Freiheit auch mit einer großen Verantwortung einher”, so die Grünen-Politikerin.
Aus der oppositionellen Union im Bundestag wurde derweil Kritik an der Kulturstaatsministerin laut. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dorothee Bär (CSU) sagte, in Roths Amtszeit löse ein Antisemitismus-Skandal den nächsten ab. Sie verwies auf die vergangene Documenta und “das dröhnende Schweigen der Kulturszene nach dem 7. Oktober”.
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, begrüßte dagegen die Absicht, die Vorgänge aufklären zu wollen. Allerdings wäre es ein noch stärkeres Signal gewesen, wenn Stimmen wie die von Berlinale-Geschäftsführerin Rissenbeek “lauter und vielstimmiger gewesen wären”, sagte Klein der Düsseldorfer “Rheinischen Post” (Dienstag). “Die Berlinale geht beschädigt aus diesem Abend hervor.” Regisseur Russell und weitere hätten “mit ihren israelfeindlichen Äußerungen ihr Gastrecht missbraucht”.