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Flughafenseelsorge in Zeiten von Extremwetter, Krieg und anderen Krisen

Pfarrerin Bettina Klünemann ist Seelsorgerin am Frankfurter Flughafen. Kein leichter Job, vor allem nicht in Zeiten von Krisen. Manchmal bitten Menschen ums Gebet.

Die evangelische Pfarrerin Bettina Klünemann der kirchlichen Flughafenseelsorge spricht mit Reisenden am Flughafen Frankfurt im Terminal 1
Die evangelische Pfarrerin Bettina Klünemann der kirchlichen Flughafenseelsorge spricht mit Reisenden am Flughafen Frankfurt im Terminal 1epd-bild/ Tim Wegner

Seit fünf Jahren arbeitet Bettina Klünemann (58) als Seelsorgerin am Frankfurter Flughafen, einer der wichtigsten internationalen Luftverkehrs-Drehscheiben. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht die evangelische Theologin und Diplompsychologin über die Folgen von Evakuierungsflügen aufgrund von Wetterextremen und eine zunehmend gereizte Stimmung am Airport.

Frau Klünemann, seit Wochen sieht man in den Nachrichten schwere Überschwemmungen oder auch gewaltige Brände an beliebten Urlaubsorten – wie schlägt das auf Ihre Arbeit durch?
Klünemann: Solche Unwetter und Krisen haben immer einen Effekt, weil der Flughafen eine Art Seismograf ist: Egal, was in der Welt passiert – ob Wetterextreme, Krieg oder Konflikte – wir spüren das hier. Am Flughafen spiegelt sich ständig das weltweite Leben mit seinen Krisen und Katastrophen in irgendeiner Form wider.

Es gab mehrfach Evakuierungsflüge etwa von der von gewaltigen Bränden heimgesuchten Insel Rhodos.
Zuletzt hatten wir zum Beispiel einen Evakuierungsflug aus Rhodos, bei dem fast alle Passagiere ohne Gepäck kamen. Die hatten nur ihre Strandklamotten und ihre Badelatschen an, und viele von ihnen waren in Frankfurt noch nicht am Ziel. Es waren etliche Schweizer und Vorarlberger dabei. Da kümmern wir uns und fragen, womit wir ihnen helfen können. Für viele war es wichtig, sie auf dem Weg zum Fernbahnhof oder beim Umbuchen des Fluges zu begleiten.

Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine?
Manche Ukraine-Flüchtlinge, die zunächst in Kanada oder in den USA Aufnahme gefunden hatten, wollen wieder zurück. Manche kommen mit dem Leben und der Kultur in Nordamerika nicht klar, auch wegen der großen räumlichen Distanz, oder wollen zurück in die Ukraine, weil sie sich um Omas, Opas, Mütter oder Väter sorgen. Sie kommen nicht selten mit Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung hier an – und sind manchmal nicht in der Lage, sich um Umstiege zu kümmern. Andere reisen aus Kiew wegen des ständigen Luftalarms wieder aus.

Der katholische Pater Edward Froehling und die evangelische Pfarrerin Bettina Klünemann der kirchlichen Flughafenseelsorge am Flughafen Frankfurt
Der katholische Pater Edward Froehling und die evangelische Pfarrerin Bettina Klünemann der kirchlichen Flughafenseelsorge am Flughafen Frankfurtepd-bild/ Tim Wegner

Sie sind Pfarrerin, können Sie Menschen auch spirituell helfen?
Das Beten mit den Leuten geht oft Hand in Hand mit dem Helfen. Die Menschen bitten oft auch ums Gebet. Vielleicht ist das nicht das Allererste, was wir tun, aber es gehört fast wie selbstverständlich mit dazu.

Teilen Sie den Eindruck, dass Unhöflichkeit in der Gesellschaft, auch aggressives Verhalten zugenommen haben? Erleben Sie das am Flughafen auch?
Ja, es gibt seit einiger Zeit ein Grundlevel an Anspannung und nicht mehr so viel Frustrationstoleranz. Man merkt, dass manchmal die Geduld nicht mehr groß ist. Passagiere sind tendenziell einen Tick gestresster als früher. Und manch einer betrachtet den Flughafenmitarbeiter am Check-in-Schalter auch nicht mehr als den, der einem etwas Gutes will. Viele Fluggäste reagieren bei Verzögerungen sehr verständnislos.

Viele gehen von einem Rundum-Sorglos-Urlaub aus…
Passagiere haben hohe Erwartungen, wenn sie in den Urlaub fliegen. Wenn irgendetwas nicht ganz so funktioniert – wenn man etwa auf Gepäck warten muss – sind sie schnell enttäuscht. Die Menschen hinterm Schalter kriegen das dann ab – ihnen gegenüber fallen manchmal wirklich üble Worte. Es gibt verbale Übergriffigkeiten und manchmal sogar tätliche Angriffe.

Inwiefern?
Dass sie bespuckt oder geschlagen werden. Ich betreue eine Mitarbeiterin, die von hinten angegriffen wurde – von Jemandem, der fliegen wollte, aber kein gültiges Ticket hatte. Fast jeder, der am Flughafen im direkten Passagierkontakt arbeitet, hat schon unschöne Erlebnisse gehabt. Diese Menschen werden oft nicht gut behandelt – und das, obwohl sie wegen langer Arbeitszeiten oft selbst richtig fertig sind. Dennoch bemühen sie sich, freundlich zu bleiben. Ich kann verstehen, wenn Flughafen-Mitarbeiter heute sagen: Ich kann einfach nicht mehr.

 

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Ein Beitrag geteilt von Pallottiner (@pallottiner)

Der Abbau von mehreren Tausend Stellen am Frankfurter Flughafen in den vergangenen Jahren dürfte den Druck auf die verbliebenen Mitarbeiter erhöhen…
Es ist einfach zu wenig Personal am Flughafen da. Und wer als Mitarbeiter neu anfängt, muss sich in einer solchen Geschwindigkeit einarbeiten, dass es kaum zu leisten ist. Das sind physisch und psychisch anspruchsvolle und anstrengende Arbeitsplätze hier.

Was können Sie da tun? Sprechen Sie mit dem Management?
Wir sind mit allen möglichen Leuten im Gespräch. Es kann aber niemand Personal herzaubern. Man versucht, es an allen Ecken und Enden hinzukriegen. Alles hier ist sehr auf Kante genäht. Man sieht auch, dass manche Mitarbeiter oft in der ökumenischen Kapelle sitzen und dort die Ruhe genießen. Oder sie kommen zu Gesprächen zu uns ins Büro, weil man ja nicht mit allem gleich zum Vorgesetzten geht. In der Kapelle werden – neben Gottesdiensten – ab September auch wieder Atemübungen angeboten.