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Flüchtlingszahlen steigen – Hilfe “im Interesse Deutschlands”

Millionen Menschen auf der Flucht bei schwindenden Geldmitteln – Das UN-Flüchtlingshilfswerk zieht eine verheerende Jahresbilanz und warnt vor weiteren Mittelkürzungen. Das Entwicklungsministerium reagiert ausweichend.

Die Zahl der geflüchteten Menschen auf der Welt ist nach UN-Berechnungen zuletzt erneut gestiegen. Ende April waren weltweit rund 122 Millionen Menschen vor Krieg und Verfolgung auf der Flucht, zwei Millionen mehr als noch im Vorjahr, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Weltflüchtlingsbericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hervorgeht. Gleichzeitig warnt die Organisation vor weiteren Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Bundesregierung geht darauf nicht direkt ein, betont aber die Wichtigkeit der ortsnahen Unterbringung.

Die weltweit größte Vertreibungskrise spielt sich demnach derzeit im Sudan ab. Wegen des dortigen Bürgerkrieges sind rund 13,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Dahinter folgen Afghanistan mit etwa 10,3 Millionen und die Ukraine mit rund 8,8 Millionen Vertriebenen. Dabei würden nicht nur die Geflüchteten gezählt, die die Landesgrenze überschreiten. Deren Zahl sei mit 42,7 Millionen weitgehend stabil geblieben. Hingegen sei die Zahl der Binnenvertriebenen, die also innerhalb ihrer Landesgrenzen auf der Flucht sind, um über 6 Millionen auf 73,5 Millionen gestiegen. Im Sudan etwa ist die Zahl der Binnenvertrieben demnach doppelt so hoch wie derjenigen, die das Land verlassen haben.

UNHCR warnt, dass sich die Flüchtlingskrisen ausweiten könnten, da insbesondere die Mittel zur Versorgung der Menschen immer knapper würden. Durch Kürzung oder sogar Streichung von staatlicher humanitärer Hilfe lägen etwa trotz deutlich gestiegenen Bedarfs die zur Verfügung stehenden Mittel auf dem etwa gleichen Stand wie 2015. “Diese Entwicklung bereitet uns Sorgen. Unsere Solidarität wird gebraucht”, betonte die Vorstandsvorsitzende der UN-Flüchtlingshilfe, Ricarda Brandts. Niemand fliehe freiwillig; jedoch könne jeder freiwillig etwa durch Spenden helfen.

Die deutsche Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) betonte den Willen der Bundesrepublik, insbesondere den Aufnahmeländern bei der Unterbringung von Geflüchteten zu helfen. Allerdings gehört auch Deutschland zu den Staaten, die zuletzt Kürzungen im Entwicklungsetat vorgenommen haben.

Mehr Mittel versprach die Ministerin nicht; sie betonte dennoch, wie wichtig die Hilfe für Geflüchtete gerade in deren Nachbarstaaten sei. Es liege “im Interesse Deutschlands, wenn Menschen in der Nähe ihrer Heimat bleiben können und sich nicht auf die gefährliche Weiterflucht nach Europa machen müssen. Nichts verringert Flucht besser als Chancen und Perspektiven vor Ort.”

Mit 73 Prozent lebte der Großteil der Geflüchteten in einem Land mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, 67 Prozent kämen zudem in direkten Nachbarländern unter, heißt es im Bericht. Rund 3,1 Millionen Menschen stellten zudem 2024 Asylanträge in anderen Staaten, mit knapp 730.000 die meisten in den USA vor Ägypten mit fast 434.000. Auf dem dritten Platz folgt schon Deutschland mit knapp 230.000 Anträgen im vergangenen Jahr.

Als positiv wird im Bericht hingegen eine steigende Zahl an Rückkehrern vermerkt. Insgesamt hätten 2024 fast 10 Millionen Vertriebe in ihre Heimat zurückkehren können, davon mit rund 1,6 Millionen Rückkehrern aus dem Ausland so viele wie seit über zwei Jahrzehnten nicht. Insbesondere die Syrer, die nach dem Ende des Bürgerkriegs zurückkehren konnten, seien dabei hervorzuheben. Dennoch gebe es auch dort noch Unterstützungsbedarf. Die Lage vor Ort sei weiter labil; die Menschen bräuchten Hilfe, um ihr Leben wieder aufbauen zu können, so die UN.