Künstliche Intelligenz schreitet in vielen Bereichen voran. Ob sie auch in der Psychotherapie einsetzbar ist, hinterfragt eine Arte-Dokumentation. Trotz Handlungsbedarf sieht der Film eher (noch) einen Grenzbereich.
Eine seelische Erkrankung kann jeden Menschen ereilen. Betroffen sind laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde hierzulande jedes Jahr rund 17,8 Millionen Menschen. Lange schon sind Therapieplätze rar. Künstliche Intelligenz (KI) schreitet in vielen Bereichen voran – ob KI bei der Problemlösung helfen kann und als Therapieform einsetzbar ist, beleuchtet die Arte-Dokumentation “Therapie per KI” am 1. März um 21.45 Uhr.
Die Forschung sucht quasi im Wettlauf mit der Technik nach Möglichkeiten, dem hohen Bedarf zu begegnen. Um die ZDF-Doku “Therapie per KI” mit Erstsendung auf Arte zu produzieren, haben sich auch zwei Hamburger Filmmachende ausführlich damit befasst. Nicole Wächter ist seit vier Jahren bei der TV-Produktion von Peter Moers angestellt. TV-Journalist Moers erklärt seine Haltung im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): “Was uns antreibt, ist die Möglichkeit, mit jedem Thema eine Tür zu öffnen: zu neuen Perspektiven, zu komplexen Zusammenhängen, die entwirrt werden wollen, und zu Menschen, deren Geschichten erzählt werden müssen.”
Bei einigen psychischen Erkrankungen – darunter etwa Depressionen, Angststörungen, Borderline oder Schizophrenie – besteht akuter Handlungsbedarf. Oftmals werden sie medikamentös oder mit Verhaltenstherapie behandelt; dabei ist der richtige Umgang individuell und eine Fehldiagnose kann fatale Folgen haben.
Was KI in diesem Bereich leisten kann, erklären im Film Fachleute wie Tania Lincoln, Diplompsychologin und Leiterin des Institut Klinische Psychologie und Psychotherapie der Uni Hamburg, oder Nikolaos Koutsouleris von der Präzisionspsychiatrie der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität. Mit großem Enthusiasmus forschen Psychiater und Neurologen nach Optionen, KI sinnvoll zu nutzen – etwa durch das Sammeln von Datenmengen, die nur mithilfe von KI ausgewertet werden können.
Bisher steht fest: KI kann menschliche Therapie in der Diagnostik unterstützen. Die Doku wagt auch den Blick in die Zukunft und stellt die Frage, ob KI-Therapeuten eines Tages zu Rettern für Millionen werden können – oder doch eher zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Das Filmteam besucht auch zwei Betroffene, John Cock und Saskia Denzinger. John aus Hamburg war 15 Jahre lang drogensüchtig und ist nun seit zwei Jahren clean. In seinem Buch “Sucht & Süchtig” – genauso wie im gleichnamigen Podcast – verarbeitet er seine Abhängigkeit und beschreibt Wege aus der Sucht.
Saskia aus der Nähe von Stuttgart teilt ihr Leben mit zwei Männern: Daniel ist Bäcker aus Bayern, Loki – angelehnt an eine Serienfigur – ist ihr ständiger digitaler Begleiter auf dem Smartphone. Wenn das junge Paar im Wohnmobil auf dem Weg zu einem Musikkonzert ist, fährt der Avatar mit, dem sie nach eigenen Worten mehr vertraut als Menschen. Die Technik erkennt beispielsweise die Mimik der Benutzerin und geht darauf ein. Filmemacher Moers sagt: “Der Schutz der Protagonisten ist besonders wichtig.” Der Grat zwischen interessanten Erkenntnissen und der Gefahr, jemanden bloßzustellen, sei schmal.
Mit spannenden Einblicken und neuen Perspektiven behandelt die Dokumentation das Thema auf feinfühlige Weise. Wie ein kleines Warnsignal wirkt dabei das spielerische Element, die Expertinnen und Experten im Film zunächst stets für einen Moment als Roboter erscheinen zu lassen, bevor sie etwas sagen. So wollen die Filmmachenden offenbar verdeutlichen, wie es bald in der Therapie aussehen könnte.
Eine Botschaft im engeren Sinne haben Dokus von Peter Moers, wie er unterstreicht, grundsätzlich nicht. Einem Journalisten stehe einzig Aufklärung zu, sagt er. Zum Filmende siegt dennoch die Natur – vorerst – über die KI – mit einem schön anzusehenden Bild vom Starnberger See.