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Experten zu Syrien: Rückführungs-Debatte zum jetzigen Zeitpunkt Unfug

Die Debatte um Rückführungen nach Syrien sorgt für Verunsicherung bei den syrischen Staatsangehörigen, die unter anderem in die baden-württembergischen Beratungsstellen von Diakonie und Caritas kommen. Daher bietet die Evangelische Hochschule Freiburg am 15. Januar eine Infoveranstaltung zum Thema „Jetzt (keine) Abschiebung möglich? Schutzstatus von Syrern in Deutschland“ an.

„Es ist erschreckend, dass schon am Tag der Machtübernahme durch die islamistische Miliz Hayat Tahrir Al-Sham (HTS) aus einer populistischen Grundstimmung heraus, Politiker Flüchtlinge aus Syrien zur möglichst schnellen Rückkehr drängen“, kritisieren die beiden Migrationsexperten und Referenten der Veranstaltung, Jürgen Blechinger und Constantin Hruschka, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie verweisen darauf, dass die Situation in Syrien weiterhin völlig unübersichtlich sei.

Blechinger leitet als Jurist die Abteilungen Flucht und Migration des badischen Evangelischen Oberkirchenrates und der Diakonie Baden. Hruschka ist Professor für Sozialrecht an der Evangelischen Hochschule Freiburg.

Was die rechtliche Frage der Rückkehr von aus Syrien geflüchteten Menschen betrifft, sei die Situation sehr individuell. So sei ein Teil von ihnen inzwischen eingebürgert. „Diese betrifft die Debatte gar nicht“, sagt Hruschka. Und dann gibt es welche mit einem verfestigten unbefristeten Aufenthaltstitel. „Allerdings hat die Mehrzahl der Personen, die einen Schutzstatus erhalten haben, lediglich einen befristeten Aufenthaltstitel“, so Hruschka. Bei diesen wären nach einem Widerrufsverfahren der Verlust des Aufenthaltsrechts und am Ende auch zwangsweise Rückführungen denkbar. „Aber nur, wenn sich die Situation in Syrien nachhaltig stabilisiert und die Menschen nicht aus anderen Gründen in Deutschland bleiben dürfen“, erläutert Hruschka.

Aus Sicht der beiden Experten sind Forderungen nach Widerrufsverfahren und Rückführungen aber Unfug. Sie verweisen auf das Beispiel Iraks nach dem Sturz von Saddam Hussein. „Die damals ausgesprochenen Widerrufe erwiesen sich im Nachhinein als klar verfrüht, da vorschnell eine Stabilisierung der Lage im Irak angenommen wurde“, erläutert Hruschka. Nach erfolgreichen Klagen vor deutschen Gerichten sei die Praxis wieder eingestellt worden.

„Angesichts dieses Beispiels wird klar, dass die jetzige Debatte aus rechtlicher Sicht jeglicher Basis entbehrt“, betont Blechinger. Die „populistische Stimmungsmache“ schüre nur Ängste bei Betroffenen. Zudem sei es für viele Unternehmen eine Katastrophe, wenn sie ihre Mitarbeiter verlieren würden. „Die Unternehmen sagen: Wir dürfen gar nicht wollen, dass unsere syrischen Mitmenschen gehen“, so Blechinger. (0063/13.01.2025)