Bisher haben zusammen mit Deutschland insgesamt 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union laut EU-Asylagentur EUAA die Asylverfahren für Menschen aus Syrien ausgesetzt. „Die EU-Staaten sind im Moment ziemlich vorsichtig“, sagte EUAA-Direktorin Nina Gregori den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Online Donnerstag). Sie wollten abwarten, was nach dem Sturz des Regimes des Präsidenten Baschar al-Assad in Syrien passiere. Das Aussetzen der Verfahren sei nach den EU-Regeln unter diesen Umständen möglich.
„Wir beobachten sehr genau, ob sich die Situation in Syrien stabilisiert und ob das neue Regime tatsächlich in der Lage ist, das gesamte Territorium des Landes zu kontrollieren“, erklärte Gregori. Assad sei hauptverantwortlich für die Verfolgung von Menschen in Syrien gewesen. „Je nach Entwicklung der Lage müssen wir prüfen, ob es jetzt andere Gründe geben wird, die einen Asylantrag rechtfertigen können“, betonte die EUAA-Direktorin. Längerfristig könnten sich für die EU-Mitgliedsstaaten legale Möglichkeiten eröffnen, für einen Teil der Menschen aus Syrien das Aufenthaltsrecht zu beenden.
„Wir sehen aber auch schon, dass Syrer zurück nach Syrien gehen – es ist noch keine Massenbewegung, aber es findet viel Beachtung in den sozialen Netzwerken“, erklärte Gregori. „Was wirklich mit den Menschen passiert, die schon in der EU sind, ist offen.“ Der Aufenthaltsstatus der jeweiligen Syrierinnen und Syrer sei sehr unterschiedlich. Manche lebten schon lange mit anerkanntem Flüchtlingsstatus in Europa, einige hätten nur zeitweise Aufenthaltsrecht und andere warteten noch auf eine Entscheidung. „Wir müssen realistisch sein: Ein Teil der Menschen hat sich ein neues Leben in Europa aufgebaut, sie sind integriert, ihre Kinder gehen hier zur Schule“, sagte sie.
Wenn jemand freiwillig zurückkehren wolle, gebe es in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration ein Instrument, um diejenigen zu unterstützen. „Solche auch finanzielle Hilfen für eine freiwillige Rückkehr können eine sinnvolle Maßnahme sein“, erläuterte sie. Vordringlicher sei allerdings die Frage, ob die Zahl neuer Asylbewerber nach Europa zurückgehe. „Die Menschen werden in Syrien für die Stabilisierung und den Wiederaufbau gebraucht, das wird die Zahl von Schutzsuchenden voraussichtlich sinken lassen“, sagte Gregori den Funke-Zeitungen. Auch die EU und die EU-Institutionen sollten in den Wiederaufbau Syriens und in die demokratischen Institutionen investieren.
Anfang Dezember hatten Rebellengruppen unter Führung der islamistischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) das Assad-Regime gestürzt und den Syrerinnen und Syrern einen Neuanfang versprochen. Der entmachtete Präsident flüchtete nach Russland. Der Krieg in Syrien hatte 2011 mit einem Volksaufstand gegen Assad begonnen.