BERLIN – Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) hat die Kirche zu einem offensiven Umgang mit Rechtspopulisten in den eigenen Reihen aufgerufen. Die Grenze der Auseinandersetzung müsse dort gezogen werden, wo Populismus zum Extremismus wird, sagte EZW-Leiter Reinhard Hempelmann in Berlin. „Kirche ist Teil unserer Gesellschaft. Je deutlicher sie sich als Volkskirche versteht, desto intensiver ist sie eingebunden in gesellschaftliche Polarisierungsprozesse und Debatten“, fügte er hinzu.
Aufgabe der christlichen Kirchen sei es, so der Theologe, „in einen kritischen und streitbaren Dialog mit Personen zu gehen, die mit der AfD sympathisieren oder ihr angehören“. Zentrale Orientierungspunkte der Debatte müssten für Christen das universale Gebot der Nächstenliebe und die Orientierung an der Gottebenbildlichkeit eines jeden Menschen sein.
Hempelmann betonte, es gebe auch in christlichen Gemeinden ein Wählerpotenzial für die AfD. „Das ist den Statistiken zufolge aber geringer als das Reservoir der Konfessionslosen für die AfD.“ Die Mehrheit der AfD-Mitglieder habe keine enge Bindung zum Christentum.
Versuch, konservative Christen zu beeinflussen
Rechtspopulistische Akteure versuchten gezielt, Einfluss auf konservative Christen zu nehmen. Dazu würden Resonanzräume gesucht vor allem in den Themenfeldern Familie, Islam-Angst und Ordnungsdenken. Hinzu kämen oft traditionelle Rollenbilder, in manchen Kreisen auch die Tabuisierung von Sexualität und die Ablehnung von Homosexualität, sagte Hempelmann weiter. Zudem sei in christlich-konservativen Kreisen traditionell das Denken in
Hierarchien stärker ausgeprägt. Dies gebe dem Einzelnen das Gefühl von Sicherheit in einer unübersichtlichen Umgebung.
Hempelmann leitet die EZW seit 20 Jahren und ist Experte für Strömungen des säkularen und religiösen Zeitgeistes, des Evangelikalismus und des pfingstlich-charismatischen Christentums.
Anhänger eines rechtsnationalen Christentums sähen sich selbst als Bewahrer christlicher Identität, sagte Hempelmann. Den großen Kirchen würden sie vorwerfen, einem globalisierten Zeitgeist zu huldigen und biblische Aussagen zu verwässern. Dabei verstehe sich das Christentum letztlich in einem internationalen Kontext, betonte Hempelmann: „Das Christentum hatte von Anfang an keinen nationalen, sondern einen umfassenden Horizont.“
Der Experte für religiöse Trends betonte, „die Kirche predigt mit dem Gebot der Nächstenliebe eine grenzüberschreitende Verantwortung, ohne das Prinzip der Staatlichkeit zu negieren“. Damit sei auch die Orientierung der Kirchen an den Menschenrechten ein wichtiger Aspekt, der gegenüber Populisten betont werden müsse. Populistische Politikmuster benutzten demgegenüber eine Rhetorik des Ressentiments und des Ausschlusses von Minderheiten.