Die Kölner A-cappella-Band Wise Guys macht Schluss. Im Sommer 2017 geben die fünf Sänger ihr letztes Konzert. Bei Kirchentagen kommen bis zu 70 000 Menschen zu ihren Auftritten. Daniel Dickopf, Texter, Sänger und Komponist bei den Wise Guys, spricht mit Bernd Becker über das Ende der Band, Religion und den Kirchentag.
• Für die Wise Guys beginnt ihr letztes gemeinsames Jahr. Was wird fehlen, wenn es die Band nicht mehr gibt?
Es ist natürlich großartig, vor tausenden von Menschen zu singen. Das war bei den Konzerten im Kölner Tanzbrunnen so, wo wir Jahr für Jahr um die 10 000 bis 12 000 Fans versammelt haben. Und bei den Kirchentagen ging es sogar rauf bis zu 70 000 Leuten. Dieses Massenphänomen hat auch für mich als Songwriter einen Wahnsinns-Gänsehautfaktor, wenn so viele Menschen die eigenen Sachen mitsingen. Das werde ich vermissen. Und auch in einer gewissen Weise die Eingespieltheit unseres Teams – ob Büro, Technik oder auf der Bühne. Das funktioniert alles so routiniert. Es ist schön, in einem stressigen Touralltag Kollegen zu haben, mit denen in der Zusammenarbeit alles genau passt. Das wird mir fehlen. Die Wise Guys sind mein Lebenswerk. Damit meine ich jetzt nicht, dass ich das allein errichtet habe, sondern dass es ein wichtiger Inhalt meines Lebens ist. Das Größte, das ich beruflich erreicht habe. Und auch das Einzige bisher. (lacht)
• Es ist traurig, dass die Zeit zu Ende geht?
Wir haben eine Menge erreicht. Und ich muss auch ganz ehrlich sagen, ich hätte das gern fortgesetzt. Ich hätte das gern in der Formation Wise Guys noch mindestens zehn Jahre weitergemacht. Und ich habe mich als 60-Jährigen auch durchaus noch mit den anderen auf der Bühne gesehen. Natürlich, da hätte man ein paar Dinge verändert. Aber das haben wir ja immer gemacht und versucht, uns anzupassen. Auch was die Bühnen-Outfits und die Inhalte angeht. Aber als Eddi – Edzard Hüneke – seinen Ausstieg verkündet hat, habe ich dann selbst auch gesagt, ich mache unter den Bedingungen nicht weiter. Trotzdem bedaure ich das. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir gemeinsam noch eine Menge erreicht. Es bestanden zuletzt leider zu unterschiedliche Ansichten darüber, was die Wise Guys sind, was die Band ausmacht.
Einige von uns machen seit Ende der 80er Jahre zusammen Musik, da hat sich eine Menge aufgestaut. Es gab Diskussionen, Entwicklungen, auch Streitereien, so dass ein Fortführen der Wise Guys letztlich nicht möglich war. Für mich stehen einfach Kreativität und Spaß an der Musik im Mittelpunkt. Viele Wise Guys-Fans sagen ja, die Konzerte seien ein „Kurzurlaub für die Seele“. Da bin ich durchaus stolz auf uns, dass wir diese Leichtigkeit haben. Sogar zuletzt, als es zwischen einigen von uns große Spannungen gab. In dem Moment, in dem wir auf die Bühne gehen und zusammen musizieren, ist das alles weg. Leider haben wir es in der ganzen Zeit nur einmal geschafft, zusammen ein paar Tage zu verreisen, um kreativ zu sein. Da hätte ich mir mehr von gewünscht. Aber dass da alle gleichermaßen Lust zu haben, das kann man nicht verordnen, das muss man so fühlen und wollen.
• Gibt es eigentlich bestimmte Botschaften, die neben dem Spaß an der Musik durch die Lieder rüberkommen sollen?
Wir sind ja weder eine christliche Band, noch bin ich ein christlicher Songwriter. Und was ich ganz stark ablehne, für mich selbst und auch bei andern, ist das Missionieren. Ich finde jedenfalls den Anspruch schwierig, der eigene Glaube sei der richtige und deshalb müsse man so viele Menschen wie möglich davon überzeugen. Für mich ist das die Wurzel von vielen Übeln in der Welt. Ich meine, das sieht man am Islam, aber auch bei Christen und in fast allen Religionen. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen ihre Religion leben dürfen und von allen toleriert und in Ruhe gelassen werden damit. Aber ansonsten nicht versuchen, sie anderen aufzuzwingen. Das wäre für mich ein erster Schritt zum Frieden, und diese Botschaft steckt auch in manchen meiner Lieder. Auf der anderen Seite habe ich viele Sichtweisen die sich mit christlichen Sichtweisen decken. Also ein Miteinander, ein „Liebe deinen Nächsten“, ein „für einander da sein“, Schwächeren helfen, Respekt haben vor anderen Menschen und vor der Schöpfung – das findet sich alles in vielen meiner Songs durchaus wieder.
• Wie kam es dazu, dass die Wise Guys beim Kirchentag mitmachten? Auch 2017 will die Band, wie es heißt, noch einmal dabei sein…
Unser erster Kirchentag war 2005 in Hannover. Wir waren gebucht von der Kindernothilfe. Da hieß es: Opernplatz Hannover, da macht ihr ein Open-Air-Konzert. Wir rechneten mit vielleicht 5000 Leuten. Und dann standen wir da und waren völlig von den Socken. Es kamen mehr als 35 000 Menschen. Irgendwann hat die Polizei dann den Platz abgesperrt, weil es einfach zu voll wurde. Und dann stellten wir fest, wie viele Leute mitsangen und da haben wir gemerkt: Kirchentag und Wise Guys passen einfach gut zusammen. Da war diese Verbindung geboren, und dann war zwei Jahre später der Kirchentag in Köln. Da hatten wir natürlich ein Heimspiel. Es kamen mehr als 70 000 Menschen zum Konzert.
• Dreimal haben die Wise Guys ja sogar den Kirchentags-Song beigesteuert. Dabei wurden die Themen aufgegriffen, ohne Kirchenlieder daraus zu machen.
Ich würde mich unwohl fühlen, im Wise Guys-Kontext von Jesus oder Gott zu singen. Ich finde manche moderne christliche Songs richtig gut, aber ich selbst möchte gern Lieder machen, die nicht nur beim Kirchentag einsetzbar sind. Und da stecken eben viele Botschaften drin, die auch christliche Botschaften sind.
• Ein Beispiel?
Der Song „Lebendig und kräftig und schärfer“ vom Kirchentag in Köln 2007 spricht etwa davon, dass man sein Christsein durchaus auch im Alltag zeigen soll. Man hat halt erlebt, dass Leute in die Kirche laufen und sonntags ganz fromm in der ersten Reihe sitzen – dann aber als Firmenchefs ihre Angestellten schlecht behandeln. Also diese Doppelmoral. Dass man da rauskommt und seinen Glauben auch wirklich im Alltag umsetzt.
• Also ist es beides, was die Wise Guys ausmacht: Spaß und Tiefgang?
Ich würde es so formulieren: Einen richtig schönen Abend zu bieten, das ist das Allererste. Die Leute richtig gut unterhalten, ihnen eine Freude machen, sie zum Lachen bringen. Aber das schaffen zum Beispiel auch ganz viele Comedians. Das allein wäre mir zu wenig. Ich möchte, dass wir in jedem Programm auch einige Songs haben, in denen auch Nachdenkliches zur Sprache kommt. Und ich möchte idealerweise Leute so unterhalten, dass sie sich die Lachtränen aus den Augen wischen – dass aber ruhig auch mal eine normale Träne fließt.
Zuletzt bei einem Konzert in München haben wir wieder eine Zugabe mitten im Saal und ohne Mikrofone gegeben. Wir stehen dann direkt vor den Leuten. Und da sehe ich eine Frau in meinem Alter, die weinte. Dann habe ich sie einfach angeschaut und angelächelt. Nachher bekam ich eine E-Mail von ihr, in der sie sich bedankte. Sie hätte der Moment total bewegt, weil sie gerade Schweres durchmacht. Solche Momente kann man als Band nicht bewusst anstreben. Aber wenn sowas entsteht, das ist einfach total Gänsehaut, auch für mich.