Es war ein Showdown bis zur letzten Minute. Erst am Ende konnte Gesundheitsminister Karl Lauterbach aufatmen. Seine Reform der Krankenhäuser kommt. So ganz ohne Nachbesserung wird es wohl nicht gehen.
Es war ein wahrhaft “enges Hösschen”. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begab sich am Freitag gleich zweimal an das Rednerpult im Bundesrat, um für seine große Reform der deutschen Kliniklandschaft zu werben. Bis zuletzt war unklar, ob es gelingen würde, den Vermittlungsausschuss abzuwenden. Zwar hatte sich der Minister nach der Verabschiedung der Reform im Bundestag stets optimistisch gegeben. Dennoch war seine Erleichterung groß, als die Länderkammer seine Reform durchwinkte.
Sechs Länder, darunter große stimmreiche Länder wie Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, sprachen sich am Freitag für den Vermittlungsausschuss aus – womit die Reform wohl versenkt worden wäre. Sechs oft kleinere Länder stimmten dagegen, drei Bundesländer enthielten sich. Thüringens Ja-Stimmen wurden für ungültig erklärt, da das Land nicht einheitlich abstimmte. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) vor der Abstimmung kurzer Hand entlassen. Damit verhinderte er, dass unter Umständen Brandenburgs Stimmen, wie im Falle Thüringen, gar nicht zählten.
Ab Janur soll das Gesetz Schritt für Schritt in Kraft treten. Es braucht aber noch einige Rechtsverordnungen, um es umzusetzen. Und auch bei der Finanzierung gibt es noch mögliche Hindernisse. Geplant ist ein Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro – je zur Hälfte von Bund und Ländern. Da der Bund jedoch hierfür an das Geld der privaten und gesetzlichen Krankenkassen will, haben sie mit Klagen gedroht.
Dass es eine Reform braucht, ist weithin unstrittig. Das deutsche Gesundheitssystem ist im Bereich der stationären Versorgung nicht sonderlich gut aufgestellt. Viele der 1.900 Kliniken schreiben rote Zahlen, viele Krankenhausbetten bleiben leer, und die Qualität im europäischen Vergleich mau.
Dabei ist das Krankenhaussystem unvergleichlich teuer. Das bestehende Vergütungssystem in Kliniken mit festen Fallpauschalen pro Eingriff begünstigt Häuser, die viele teure Behandlungen durchführen, die medizinisch teils nicht nötig sind. So gibt es in Deutschland weit mehr Knie- und Hüftoperationen als in anderen Ländern.
Der Minister will zugleich für eine bessere Qualität sorgen. Nicht jedes Krankenhaus soll alles machen dürfen. Es geht um Spezialisierung und Mindestanforderungen an Personal und Ausstattung. “Ich sehe auf diese Reform nur aus der Perspektive der Patienten”, betonte Lauterbach.
Mit der Reform soll auch die Finanzierung der Krankenhäuser grundlegend verändert werden. Bislang werden sie durch feste Fallpauschalen vegütet – was zu hohem ökonomischen Druck und Fehlsteuerungen durch zu viele unnötige Behandlungen führt. Künftig sollen diese Fallpauschalen nur noch 40 Prozent der Vergütung ausmachen. Einen Sockel von 60 Prozent sollen die Krankenhäuser künftig über Vorhaltepauschalen für Personal, Räumlichkeiten oder notwendige Medizintechnik finanziert bekommen – allerdings nur, wenn ihnen entsprechende Leistungsgruppen mit Mindest- und Qualitätsvorgaben zugesprochen werden.
Viele Länder fürchten, dass diese Vorgaben nicht für ihre jeweilige Region passen und viele Krankenhäuser geschlossen werden. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) beklagte im Bundesrat die “starren Qualitäts- und Strukturvorgaben” des Gesetzes. Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gefürchtet, dass gerade kleine Krankenhäuser auf dem Land die Qualitätsvorgaben nicht einhalten können.
Lauterbach versichert dagegen, dass in strukturell schwächeren Regionen notwendige Krankenhäuser erhalten bleiben und besondere Fördermittel erhalten. Außerdem soll es die Möglichkeit für sektorübergreifende und integrierte Gesundheitszentren geben.
Verbände und Organisationen des Gesundheitswesens reagierten am Freitag sehr unterschiedlich auf die Entwicklung. Der Deutsche Caritasverband und das Deutsche Rote Kreuz bedauerten, dass der Vermittlungsausschuss nicht genutzt wurde, um die Reform nachzubessern. Auch der Katholische Krankenhausverband schloss sich dieser Meinung an. Andere, darunter die Bundesärztekammer, appellierten an den Minister und die Länder, in der Detailausführung des Gesetzes, etwa durch Rechtsverordnungen, Verbesserungen voranzutreiben. Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft kam indes gleich eine pauschale Forderung an die künftige Regierung: Sie müsse das Gesetz umgehend korrigieren.