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Einsatz von “Staatstrojanern”: Bundesverfassungsgericht zieht Grenzen

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfen sogenannte „Staatstrojaner“ nur bei schweren Straftaten eingesetzt werden. Das umstrittene Polizeigesetz NRW hingegen sei jedoch mit dem Grundgesetz vereinbar, teilte das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag in Karlsruhe mit. Das Bundesverfassungsgericht wies zwei Beschwerden zurück (AZ.: 1 BvR 2466/19 und 1 BvR 180/23). Der Deutsche Journalistenverband äußerte sich enttäuscht. Die Gewerkschaft der Polizei sah die Verfassungsmäßigkeit des Einsatzes von Späh-Software bestätigt. Die Bielefelder Datenschützer-Initiative „Digitalcourage“ begrüßte die Begrenzung des Einsatzes von Staatstrojanern.

Eine Quellen-Telekommunikationsüberwachung zur Aufklärung von Straftaten, die lediglich eine Höchstfreiheitsstrafe von drei Jahren oder weniger vorsehen, sei nicht verhältnismäßig, erklärte das Gericht. Bei dieser Art der Überwachung kann Spähsoftware auf Computern oder Smartphones von Verdächtigen installiert werden. Eine entsprechende Änderung der Strafprozessordnung stufte das Gericht als teilweise verfassungswidrig ein.

Heimliche Online-Durchsuchungen sind zudem laut Verfassungsgericht aus formellen Gründen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Paragraf 100 b der Strafprozessordnung erlaubt bei der Strafverfolgung eine heimliche Überwachung von IT-Systemen. Bis zu einer Neuregelung gilt die bestehende Regelung jedoch weiter.

Die Beschwerden waren unter anderem von der Bielefelder Datenschützer-Initiative „Digitalcourage“ eingereicht worden. „Ich freue mich, dass der Einsatz von Staatstrojanern jetzt eingeschränkt wurde“, erklärte Padeluun, Mitbegründer und langjähriger Vorstand des Vereins Digitalcourage. Das Gesetz sei in Teilen für nichtig erklärt worden, der Straftatenkatalog stark begrenzt. „Unsere Grundrechte wurden geschärft – und damit gestärkt“, sagte er.

Der Deutsche Journalistenverband äußerte sich hingegen enttäuscht: Das Gericht habe die Strafverfolgung eindeutig höher gewichtet als den Informantenschutz, erklärte der Journalistenverband in Berlin. Das mache es für Journalistinnen und Journalisten schwerer, Quellen zu schützen. Zwar sei der zugrunde liegende Paragraf 100 b der Strafprozessordnung aus formalen Gründen verfassungswidrig, bleibe aber bis zu einer Neuregelung in Kraft.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) wertete die Entscheidung als „eine willkommene Konkretisierung und Rechtssicherheit für die Ermittlungsbehörden“. Auch bisher sei die Quellen-Telekommunikationsüberwachung in der polizeilichen Praxis nicht zur Verfolgung von Bagatelldelikten eingesetzt worden, erklärte der BDK in Berlin. Die Entscheidung, die hier eine klare Grenze ziehe, „bestätigt unseren bisherigen Ansatz und trägt zur Präzisierung der Anwendung bei“. Zugleich gebe es mit dem Urteil einen „deutlichen Auftrag an den Gesetzgeber, die Strafprozessordnung zu überarbeiten und zu modernisieren“.

In einer Zeit rasanter technischer Entwicklungen sei es unverzichtbar, dass die Polizei über moderne Ermittlungsbefugnisse verfüge, erklärte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Der Beschluss stelle sicher, „dass wir auch künftig schwerste Straftaten effektiv bekämpfen können“, sagte GdP-Bundesvorsitzender Jochen Kopelke am Donnerstag in Berlin. Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung sowie die Online-Durchsuchung seien notwendige Werkzeuge insbesondere bei terroristischer, organisierter und schwerster Kriminalität.

Die Gewerkschaft der Polizei in NRW erklärte, wenn im Kontext mit Terrorismus Mord oder andere schwere Straftaten drohten, dann müssten Sicherheitsbehörden schon tätig werden dürfen, ehe Schlimmes geschehen sei. „Big-Brother-Debatten helfen hier nicht weiter“, sagt der GdP-Landesvorsitzende Patrick Schlüter am Donnerstag in Düsseldorf. Die polizeiliche Praxis zeige, „dass die Kolleginnen und Kollegen mit diesen Überwachungen maßvoll und sorgsam umgehen“, erklärt Schlüter.

Das neue Polizeigesetz war am 12. Dezember 2018 von der schwarz-gelben Regierungskoalition mit den Stimmen der SPD im Landtag verabschiedet worden. Das Gesetz weitet die Befugnisse der Polizei bei der Terrorabwehr und Alltagskriminalität deutlich aus – insbesondere bei der Überwachung von digitaler Kommunikation und dem Umgang mit Gefährdern. Die Landespolizei kann unter anderem Staatstrojaner einsetzen, um verschlüsselte Messenger auszulesen.

Anfang des Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht Teile des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes für verfassungswidrig erklärt. Dabei ging es um Befugnisse bei längerfristigen Observationen sowie um die Anfertigung von Bildaufnahmen und -aufzeichnungen.