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„Eine ehrliche Antwort ist die beste Antwort“

Wie geht man mit Kindern und ihren Fragen nach dem Terror um? Fachleute sind der Ansicht: Kinder sollen auf jeden Fall ernst genommen werden und eine ehrliche Antwort bekommen. Rituale können dabei helfen

Terror, Tote und Verletzte: Manche Eltern versuchen, die Terroranschläge und die verstörenden Bilder von ihren Kindern fernzuhalten. „Wir empfehlen Eltern, gerade Kindern unter zehn Jahren altersgerechte Formate zur Information anzubieten, gemeinsam zu nutzen und sie behutsam über die Ereignisse aufzuklären“, heißt es beispielsweise bei der unter anderem vom Bundesfamilienministerium initiierten Kampagne „Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht“.

Viele Ereignisse können nicht „verheimlicht“ werden

Die Geschehnisse könnten gerade bei einem Ereignis dieser Größenordnung nicht von Kindern ferngehalten werden, erklärte Markus Mörchen, Redaktionsleiter der ZDF-Kindernachrichtensendung „logo!“, nach den Anschlägen in Paris im vergangenen Jahr. Es sei ganz wichtig, dass man Kinder altersgerecht darüber informiert.
Nun rückten Terror-Ereignisse noch näher an Deutschland heran: So wurden vor Kurzem bei Anschlägen in der belgischen Hauptstadt Brüssel über 30 Menschen getötet. Die Attentäter hatten in einer Metrostation und am Flughafen Sprengsätze detonieren lassen. Zu den Taten bekannte sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).
Kinder können sich nun laut des „Schau Hin!“-Portals sorgen, dass solche Attentate auch in Deutschland passieren könnten. Vielleicht hätten sie auch Angst, Flughäfen und U-Bahnen oder andere Verkehrsmittel zu nutzen.
Eltern sollten mit ihren Kindern altersgerechte Nachrichten schauen, rät Mediencoach Kristin Langer von „Schau hin!“. In einem Alter ab elf Jahren könnten sie dann auch Erwachsenen-Nachrichten schauen – im Beisein der Eltern.

Kindgerechte Nachrichten gemeinsam ansehen

Die Fragen der Kinder sollten in jedem Fall ernst genommen und ehrlich beantwortet werden. Für sie könne es beispielsweise schwierig sein nachzuvollziehen, warum die Zahl der Opfer in den Tagen nach den Anschlägen weiter steige – obwohl das Ereignis längst vorbei sei. „Da müssen Eltern dann erklären, dass es noch Verletzte auf Intensivstationen gibt, die doch nicht überlebt haben“, erläutert Langer.
Und natürlich stellen Kinder genau die Frage, die auch vielen Erwachsenen durch den Kopf geht: Kann das hier bei uns auch passieren? „Eine ehrliche Antwort ist die beste Antwort“, zeigt sich Redaktionsleiter Mörchen überzeugt.
Auch Rituale sind aus Expertensicht wichtig für Kinder. Eine Kerze für die Opfer anzünden und in der Familie über die Ereignisse sprechen – das sei hilfreich, so Langer. Kleinere Mädchen und Jungen könnten oftmals ihre Gefühle noch nicht verbal ausdrücken. Deshalb sei es wichtig, auf ein „erhöhtes Anlehnungsbedürfnis“ der Kleinen einzugehen. Denn: Sie spürten die Betroffenheit der Eltern und fühlten sich verunsichert.
Auch in Schweigeminuten könne man Kinder gut einbeziehen. „Das ist für die Kinder ein wichtiges Ereignis, was ihnen auch Kraft in so einer Situation gibt“, sagt Mörchen. Kinder und Jugendliche gehen aber auch eigene, neue Wege, wie Langer beobachtet. „Sie nutzen Kommunikationsmittel, zum Beispiel Messenger auf dem Smartphone.“ Und da drückten sie aus, dass sie solidarisch mit den Opfern sind. Es sei beeindruckend, wie Medien in diesem Zusammenhang genutzt würden.
Der Terror in Europa – er ist Realität, mit der auch die Kinder leben müssen. „Man kann Kinder nicht vor der Erfahrung des Todes bewahren“, sagt Jürgen Bärsch, Professor für Liturgiewissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. „Ich glaube, es wäre auch falsch, das zu tun. Kinder bekommen das ja mehr oder weniger bewusst mit.“

Auf keinen Fall die Angst der Kinder schüren

Wichtig in Gesprächen mit Mädchen und Jungen sei es, auf keinen Fall Ängste zu schüren, so Mediencoach Langer. Etwa im Hinblick auf den Islam: „Unsere Kinder wachsen ja mit Andersgläubigen, muslimischen Menschen auf. Und da ist es wichtig, dass wir als Eltern und Lehrer darauf hinweisen, dass der Mensch, mit dem wir es zu tun haben, eine ganz andere Gedankenwelt hat als ein Attentäter.“
Die Initiative „Schau hin!“ betont auf ihrer Internetseite: „Zudem können Kinder muslimischen Glaubens Angst vor pauschalen Verurteilungen haben. Eltern können helfen, diese Ängste durch einfühlsame Gespräche zu lindern.“