Synode geht keinen Schritt
Von Rolf WischnathNicht nur die Bezeichnung „Kundgebung“, sondern der gesamte Stil der Veröffentlichung der EKD-Synode zur Friedensethik ist hoheitsvoll, gleichsam im Berliner Dom geschrieben. Die Abfassung lässt keinerlei triftige theologische Reflexion entdecken: Die mancherlei „geistlichen“ Sätze und Bibelsprüche sind unzusammenhängend.Und soll man sich nun vorstellen, Leser*innen gerieten aus dem Häuschen, wenn sie mit solchen Sätzen angesprochen werden: „Gott steht den Opfern bei … Wir haben Anteil an der Friedensbewegung Gottes in diese Welt hinein … Wir rufen die politisch Verantwortlichen dazu auf, militärische Gewalt und kriegerische Mittel zu überwinden … Wir nehmen eine wachsende Schere zwischen Arm und Reich und soziale Benachteiligung wahr …. Wir sprechen uns für ein entschiedenes Engagement von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zur Einhaltung der ökologischen Grenzen unserer Erde aus.“ Meine Güte!Die Synode in Dresden spricht die Klimagerechtigkeit für den Frieden an. Ansonsten wird kein heißes Eisen angepackt: Die Auslandseinsätze der Bundeswehr – ihr Scheitern und ihr Erfolg – kommen nicht vor. Die Präsident Trump gehorchende Erhöhung des Wehretats – die ja faktisch eine Verdoppelung bedeutet – ist keiner Erwähnung wert.Deutschland ist der viertgrößte Waffenexporteur der Welt und liefert auch in die Krisengebiete. Kein Wort dazu. Die ethische „Ausgewogenheit“ der Stellung zu den Atomwaffen wird – wie immer seit den 1950er Jahren (Heidelberger Thesen 1959) – erneut kundgetan. Sie wird mit einem Satzungetüm verbrämt: „Uns erscheint heute angesichts einer mangelnden Abrüstung, der Modernisierung und der Verbreitung der Atomwaffen die Einsicht unausweichlich, dass nur die völkerrechtliche Ächtung und das Verbot von Atomwaffen den notwendigen Druck aufbaut, diese Waffen gänzlich aus der Welt zu verbannen.“
Nicht einmal den, auf den damaligen Außenminister Guido Westerwelle zurückgehenden Bundestagsbeschluss vom 26. März 2010, die Bundesregierung solle „sich mit Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland (Büchel) einsetzen“, kann die Synode nachsprechen. Stattdessen: „Wir fordern die Bundesregierung auf, konkrete Schritte einzuleiten mit dem Ziel, den Atomwaffenverbotsantrag zu unterzeichnen. Dies setzt Gespräche und Verhandlungen mit den Partnern in NATO, EU und OSZE voraus.“ Erst recht ist an die Forderung, die Bundeswehrübungen in Rheinland-Pfalz für den Einsatz des Teufelszeugs zu beenden, nicht einmal zu denken. Summa: Was ist zu hören und zu sehen? Die Synode hebt leise den linken Fuß. Aber sie geht keinen Schritt.Rolf Wischnath war von 1995 bis 2004 Generalsuperintendent für den damaligen Sprengel Cottbus und von 1991 bis 2004 Mitglied der EKD-Synode. Heute lebt er in Gütersloh.
Gemeinsames Fundament
Von Harald GeywitzAn der Friedenskundgebung der EKD wurde aus zwei Richtungen Kritik laut: Den einen fehlt ein klareres Bekenntnis zum Pazifismus und dem vollständigen Atomwaffenabzug aus Deutschland. Den anderen geht der pazifistische Grundton zu weit und sie sehen ein unrealistisches Bild von der Lage in der Welt gezeichnet. Wollte ich es mir leicht machen, so könnte ich feststellen: Wenn beide Seiten gleichermaßen kritisieren, kann die Position in der Mitte nicht verkehrt sein. Doch so einfach mache ich es mir nicht, denn Frieden ist für uns als Kirche und unser Wirken in der Welt ein zentrales Thema und rhetorische Spiegelfechtereien fehl am Platze.Was ist eine Kundgebung eigentlich? Sie ist Inhalten mit grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten und soll die Sicht der evangelischen Kirche insgesamt widergeben. Daher ist in der EKD eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Wer die Spannbreite der friedensethischen und -theologischen Debatten kennt, weiß, wie schwierig eine solche Mehrheit zu erreichen ist. Das ist gut so, denn es geht um ein gemeinsames Fundament.Die Friedenskundgebung ist ein solches neues Fundament. Doch sie löst nicht alles ab, was bisher dazu gedacht oder geschrieben wurde. Sie ist ein Update zur Denkschrift von 2007 und lenkt unseren Blick auf Themen, die damals weniger im Fokus standen. Angefangen von den katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels, daran anknüpfend, wofür sich Christ*innen viele Jahre im konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung engagieren. Weiter werden die immensen friedensethischen Herausforderungen durch automatisierte, teilautonome und unbemannte Waffen sowie die Gefahren durch Massenvernichtungswaffen und die Forderung nach einem Atomwaffenverbotsvertrag klar benannt. Auch der Cyberraum erfährt eine erste Betrachtung und dort wird ebenfalls der zivilen Konfliktprävention Vorrang gegeben. Nicht zuletzt widmet sich die Kundgebung den Fragen des gesellschaftlichen Friedens. Weltweit verschieben sich die Gewichte von der sozialen Gemeinschaft zum absolut gesetzten Wohl des Einzelnen und die Räume schwinden, in denen respektvoll und friedlich miteinander um die richtigen Wege gerungen wird. Vielleicht sind bei der Suche nach breitem Konsens Formulierungen aus Sicht mancher zu lau geraten. Doch womöglich sind diese auch das Echo alter und gleichsam neuer Sorgen und Ängste und zeigen das Bedürfnis nach Sicherheit und Frieden in einer sich grundlegend wandelnden Welt. Die Friedenskundgebung bietet ein hohes Maß an Mehrdimensionalität: Europa, Klimawandel, gesellschaftlicher Friede, Cyberraum. Sie wirft damit einen umfassenden Blick auf Frieden und Gerechtigkeit und mahnt uns als Kirche, daraus zu wirken und Gesprächsraum auf dem Weg zu sein.Harald Geywitz ist Politikwissenschaftler und Mitglied der EKD- sowie der EKBO-Synode.