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Ein Haus für deutsch-jüdische Kultur in Haifa

Als Neueinwanderer waren sie gar nicht so beliebt. Mit wachsendem Erfolg beim Aufbau des jungen Staates Israel aber wuchs das Selbstbewusstsein der deutschsprachigen Einwanderer. Ihnen gilt nun wieder ein eigenes Museum.

Für die deutschsprachigen Einwanderer nach Israel, ihre Nachfahren und Fans war das “Museum des deutschsprachigen jüdischen Erbes” ein beliebter Anlaufpunkt. Doch das Haus mit dem sperrigen Namen, im Volksmund schlicht “Jeckes-Museum” genannt, musste 2020 aufgrund fehlender Förderungen an seinem nordisraelischen Standort Tefen schließen. Jetzt hat die Sammlung wieder ein der Öffentlichkeit zugängliches Zuhause: das Ruben und Edith Hecht Museum an der Uni Haifa. Im Beisein von Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) wurde es am Dienstag feierlich eröffnet.

Für die Herkunft des Wortes “Jecke” gibt es gleich mehrere Theorien. Es sei eine Abkürzung für “Jehudi kasche hawana” – “begriffsstutziger Jude”, ist eine von ihnen. Wesentlich vorteilhafter sind die anderen nicht. Mit klischeehaften Tugenden wie Pünktlichkeit, übertriebener Gründlichkeit und Korrektheit, aber auch mit ihrer formellen – dem Wetter nicht zuträglichen – Kleidung eckten die Neuankömmlinge an und zogen Spott und Hohn auf sich. Mit wachsenden Erfolgen im neuen Land wuchs deren Selbstbewusstsein. Das anfangs abfällig konnotierte “Jecke” übernahmen sie humorvoll als Selbstbezeichnung.

Im Zentrum des Museums steht wie auch schon in Tefen die Aufbauleistung der Zuwanderer im jungen Staat Israel, sagt Ruthi Ofek gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). 32 Jahre lang war die Kunst- und Museumsexpertin in Tefen für das Jeckes-Museum verantwortlich – und ist froh, dass es in Haifa weitergeführt wird. Nicht weniger als den “westlichen Charakter des Staates Israel” schreibt man dem Einfluss deutscher Architekten, Wirtschaftswissenschaftler, Mediziner oder Juristen zu.

Rund 5.000 Bände der Museumsbibliothek legen vom publizistischen Wirken der “Jeckes” Zeugnis ab. Hinzu kommen Kunstwerke und unzählige historische Dokumente und Gegenstände, die dem Museum gespendet wurden. Einschließlich des Archivs kommt die Sammlung auf etwa eine Million Artefakte aus einer Zeitspanne vom späten 19. Jahrhundert bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Darunter Schätze wie die Originalkompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy, aber auch eine der ersten Hütten von Naharija.

Wie schon in Tefen steht die Wellblechhütte von Hugo-Zwi Schatzmann und seiner Frau Getrud Lea aus der Weitzmannstraße 2 mit ihrer Originaleinrichtung in der Ausstellung: das einfache Bett und der Nachttopf, die Küche mit dem Eisschrank, die nahtlos in die türlose Dusche übergeht. Stickereiverzierte Spitzengardinen mahnen die Hausfrau im Geist der Zeit, “in dem Haus still zu walten und Fleiss und Ordnung zu erhalten”.

Auch ein Stück, das Ruthi Ofek schon in Tefen am Herzen lag, hat es in die Ausstellung am neuen Standpunkt geschafft: Ein Stofftuch mit einer Darstellung jüdischer deutscher Soldaten, die sich zu den Gebeten des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur versammeln, Uniform und Gebetsschal Tallit vereint. Das Tuch habe vermutlich in fast jedem deutschen jüdischen Haushalt gehangen, so Ofek.

Unter anderem 1,2 Millionen Euro vom deutschen Außenministerium machten den Umzug des Museums an die Universität Haifa und seinen Erhalt möglich. Berlin warb zudem bei weiteren möglichen Sponsoren um Engagement für das Projekt. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) steuerte etwa die Finanzierung einer Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters bei.

Eng verbunden ist das Museum mit dem Namen seines Gründers Israel Schiloni; 1901 geboren als Hans Herbert Hammerstein in Berlin, vor den Nazis nach Palästina geflohen. 1968 errichtete er die Sammlung in seiner israelischen Heimatstadt Naharija, 1991 übertrug er sie an den Unternehmer und Philanthropen Stef Wertheimer. Dieser holte das Museum in den nordisraelischen Industriepark Tefen.

Auch Wertheimer war einer dieser “Jeckes”: 1937 floh seine Familie aus dem südbadischen Kippenheim vor den Nazis. Diesen März starb er im Alter von 98 Jahren. Er war einer der letzten seiner Generation. Aber noch immer gibt es den Jeckes-Verband, der sich um die Bewahrung vieler Traditionen des deutschen Judentums in Israel bemüht. Das Außenministerium nennt den Verein einen “wichtigen Brückenbauer zwischen Deutschland und Israel”.

Mit seiner Angliederung an das Zentrum für deutsche und europäische Studien der Uni Haifa will das Museum künftig auch eine stärkere Verbindung zur wissenschaftlichen Forschung schlagen. Das Museumsarchiv wird katalogisiert, ein Teil der Sammlung ist bereits in digitalisierter Form zugänglich, als Teil des “‘A-Z’ – The Archives Network Israel Project” unter anderem der israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem.