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Ein Blick hinter die Kulissen vom “Wort zum Sonntag”

In Dortmund ging es für die 42-jährige Johanna Vering erstmals vor die Kamera: Sie ist neue Sprecherin beim “Wort zum Sonntag”. Für sie erfüllt sich damit ein Traum – “als Frau, in der ARD, für die Kirche zu sprechen”.

“Meine blaue Jacke kann ich nicht anziehen”, sagt Johanna Vering. “Sie knistert zu sehr.” Die 42-jährige sitzt am Freitag in der Maske des Dortmunder WDR-Studios. Vieles ist an diesem Vormittag neu für sie. Langsam steige auch die Aufregung, gibt sie zu. Denn gleich geht es für sie zum ersten Mal vor die Kamera. Die Westfälin ist neue Sprecherin der ARD-Sendung “Wort zum Sonntag”.

Vering träumte bereits lange davon. Schon während ihres Theologiestudiums in Freiburg und Graz habe sie gedacht, dass das “Wort zum Sonntag” etwas für sie sein könnte. Die ARD-Sendung begleitet sie seit ihrer Kindheit. Damals habe sie die Sendung gemeinsam mit ihren Eltern geschaut, erzählt sie. Heute gucke sie die Folgen eher in der Mediathek.

Um ihren Traum zu erreichen, fuhr Vering im Januar zu einem Casting für die ARD-Sendung. Sie setzte sich gegen rund zehn andere Bewerber durch. Nun wird die Theologin aus dem Bistum Münster in den nächsten drei Jahren etwa alle zwei Monate das “Wort zum Sonntag” gestalten. Das sei etwas besonderes – “als Frau, in der ARD, für die Kirche zu sprechen”, sagt Vering. Verantwortlich für die Sendungen sind die Kirchen. Sie wählen die Sprecher aus und verantworten die Inhalte.

Vering ist medienerfahren: Sie ist Absolventin der katholischen Journalistenschule ifp in München und erzählt seit 13 Jahren öffentlich von ihrem Glauben im Radio. “Weil die Frohe Botschaft raus muss”, sagt sie. “Alles das, was ich lebe, erlebe und erfahre, worüber ich mir Gedanken mache und es mit meinem christlichen Glauben in Verbindung bringe, all das ist ein Teil der Verkündigung.” Sie möchte Menschen Mut machen. Deswegen erzähle sie davon, dass sie an einen Gott glaube, der in jeder Lebenslage da sei. Für den Glauben verständliche Worte zu finden, sei ihr Auftrag – im Radio mit ihrer Stimme, und jetzt auch mit ihrem Gesicht im Fernsehen.

In diesem Jahr feierte das “Wort zum Sonntag” nach mehr als 3.600 Folgen 70-jähriges Jubiläum. Es ist nach der Tagesschau die älteste Sendung im deutschen Fernsehen. “Und immer noch relevant”, sagt Vering. Das sehe man nicht zuletzt daran, dass regelmäßig Schnipsel der Verkündigungssendung in Satire-Shows gezeigt würden. Ob sie sich bei “extra 3” oder der “heute-show” sehen möchte? “Nicht unbedingt.”

Und doch steht die Theologin künftig vor einem großen Publikum: Im Schnitt sitzen samstagabends rund 1,2 Millionen Menschen vor dem Fernseher, wenn die katholischen und evangelischen Sprecherinnen und Sprecher in der ARD über ihren Glauben erzählen. Deutlich mehr Zuschauer sind es jedes Jahr am Tag des Eurovision Song Contests (ESC). Wegen des Musik-Events erreicht das “Wort zum Sonntag” an diesem Abend bis zu fünf Millionen Zuschauer. Auch den Auftritt in der ESC-Ausgabe kann Vering sich mal vorstellen. Anders als ihre erste Sendung wird beim ESC das “Wort zum Sonntag” live gesendet.

Verings erste Sendung wird in aller Ruhe vorproduziert. Das nehme ihr ein bisschen die Aufregung, sagt sie. “Wir können so oft wiederholen, wie wir wollen. Bei einer Live-Sendung wäre ich bestimmt aufgeregter.” Seit sie im März offiziell in den achtköpfigen Sprecherkreis für die ARD-Sendung aufgenommen worden ist, hat Vering Termine zur Vorbereitung absolviert. Sprechtraining, Kameratraining, Farbberatung und einige Shoppingtouren – denn anders als beim Radio komme es im Fernsehen auch auf die Kleidung an. In ihrem Köfferchen hat sie heute drei verschiedene Outfits dabei.

Die vergangenen Tage tauchte Vering komplett in die “Wort zum Sonntag”-Welt ab. Am Montag traf sie sich mit dem katholischen Senderbeauftragen des WDR, Pater Philipp Reichling, und der zuständigen WDR-Redakteurin, Ute Casper, zum Vorgespräch. “Das ‘Wort zum Sonntag’ soll immer aktuell sein. In dieser Sitzung haben wir meinen Themenvorschlag besprochen”, sagt Vering. Dabei geht es darum, was Menschen im Leben brauchen. Anschließend hat sie ihren Sprechertext verfasst und an die ARD geschickt. Seitdem ist sie ihn immer wieder durchgegangen. Ob sie ihn schon auswendig kann? “Annähernd”, sagt sie.

Die erste Probe im Studio läuft dann wie am Schnürchen. “Die könnten wir eigentlich direkt nehmen”, sagen Reichling und Casper. Das Team in der Regie stimmt zu. Hier in Dortmund beim WDR haben sie Erfahrung mit dem “Wort zum Sonntag”. Seit etwa zehn Jahren wird es hier regelmäßig aufgezeichnet. Dann beginnt die tatsächliche Aufnahme – wieder läuft alles einwandfrei, bis sich Vering in der Verabschiedung verspricht. Geschnitten werden kann nicht. Es braucht eine neue Aufnahme.

“Das ist schon anders als beim Radio”, sagt Vering. “Da können wir Versprecher einfach rausschneiden.” Etwa eine Stunde später ist ihr vierminütiger Beitrag dann unfallfrei aufgenommen. Im Regieraum wird Vering mit Applaus empfangen. “Das bist zu 100 Prozent Du”, sagt eine Kollegin zu ihr, die als Verstärkung mitgekommen ist. Vering schaut sich mit dem Team die Aufzeichnung an. Sie ist zufrieden.

“Hoffentlich passiert heute nichts mehr”, sagt Vering. Denn: Das Wort zum Sonntag wird am Samstag um 23.45 Uhr direkt nach den Tagesthemen ausgestrahlt. “Es gibt nichts Schlimmeres, als etwas Unpassendes im Kasten zu haben”, sagt sie. Beim Terroranschlag in Solingen vor einigen Monaten musste eine Kollegin beispielsweise noch mal ins Studio, verrät sie. Als Vering nach der Aufnahme aus dem Regieraum geht, sind es noch mehr als 32 Stunden bis zur Ausstrahlung. “Morgen habe ich bis 18.00 Uhr Bereitschaft”, sagt sie beim Verlassen des Studios. Deswegen besser nur ein Glas Sekt – morgen muss sie einsatzbereit sein.