Ob Taifune auf den Philippinen, der Bürgerkrieg in Syrien oder vertriebene Menschen in Bangladesch, Tommy Bouchiba ist da, wenn Katastrophen Menschen verzweifelt zurücklassen. So wie jetzt in den Flutregionen in Westdeutschland. „Wenn ihr mich seht, ist irgendwas schiefgelaufen“, so beschreibt Bouchiba seine Arbeit als Nothilfe-Koordinator bei der Diakonie Katastrophenhilfe.
In Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen war es eine Katastrophe mit Ansage. Bereits sechs Tage vor der Flut warnte der Deutsche Wetterdienst im Ahrtal vor Überschwemmungen. Am 14. Juli rief der Dienst dann die höchste Warnstufe aus. Mehr als acht Meter erreichte der Pegelstand der Ahr und zerstörte ganze Ortschaften und Städte.
„Ich bin oft einer der ersten Menschen, die nach einer Katastrophe in schwer erreichbare Gebiete kommen“, erzählt der aus Dänemark stammende Nothilfe-Koordinator. „Da muss man eine Menge Empathie mitbringen. Jeder und jede hat eine Geschichte, die er oder sie erzählen möchte.“ Es sei wichtig für die Menschen, gehört zu werden, von ihren Eindrücken berichten zu können. Als Nothilfe-Koordinator höre er viel zu und spende Trost. „Viele Menschen haben alles Materielle verloren, Fotos, persönliche Gegenstände – alles ist weg. Aber diejenigen, die überlebt haben, leben. Sie können neu anfangen, darauf können sie bauen. Und wir unterstützen sie beim Neuanfang.“
Soforthilfe zwischen 300 und 1500 Euro
„Baufachleute vom Technischen Hilfswerk haben in den vergangenen Wochen Häuser markiert: In welches kann man gehen, wo besteht Einsturzgefahr, wo ist die Statik so beeinträchtigt, dass das Haus einstürzen könnte?“, berichtet Tommy Bouchiba. „An einigen Häusern sind drei Kreuze angebracht: Diese Gebäude müssen höchstwahrscheinlich komplett abgerissen werden.“
Bouchiba reist durch die verschiedenen betroffenen Regionen und tauscht sich mit den Mitarbeitenden vor Ort aus. Er spricht mit den Einwohnerinnen und Einwohnern und fragt nach, was gebraucht wird und koordiniert die Hilfe. Die diakonischen Einrichtungen und die evangelischen Kirchengemeinden zahlen seit Wochen Soforthilfen an die Menschen aus. Für jeden Haushalt gibt es zwischen 300 und 1500 Euro. Mit dem Geld soll schnell geholfen werden, um Geräte zum Aufräumen oder die Tankfüllung zur Arbeit bezahlen zu können.
Rund eine Million Euro aus Spendengeldern hat die Diakonie RWL in 3200 Bautrockner investiert. Die Geräte sind in den Flutregionen Mangelware. Lange Schlangen bilden sich vor den Ausgabestellen. Jetzt nach den Aufräumarbeiten wollen die Menschen ihre Häuser so schnell wie möglich trocken bekommen, damit sie mit den Renovierungen beginnen können.
Doch nicht alle Menschen werden ihre Häuser wieder aufbauen können. „Jetzt geht es auch um administrative Strukturen. Was darf wieder errichtet werden? Wo ist es einfach zu gefährlich, um dort zu wohnen“, erklärt Bouchiba. Viele der Häuser seien wunderschöne Fachwerkhäuser, die pittoresk aussehen, aber einer weiteren Überschwemmung kaum standhalten werden.
Tommy Bouchiba geht davon aus, dass einige Hausbesitzer keine Genehmigung für den Wiederaufbau bekommen werden. „Das ist dann quasi eine Enteignung. Die Städte und Gemeinden müssen alternative Flächen finden, wo die Menschen leben können.“ Die Schäden seien in vielen Regionen so schwerwiegend, dass der Wiederaufbau Jahre dauern wird. „Die Menschen werden jede Menge Kraft und Geduld brauchen.“
Ein flutsicherer Wiederaufbau sei in der Regel aber gut machbar. Das fange schon bei Kleinigkeiten an: Stromkreise müssten getrennt werden, die Heizanlage gehöre nicht in den Keller und für das Regenwasser müssten ausreichend Flächen zum Abfließen geschaffen werden. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass Katastrophen wie Starkregen, Überflutungen und Unwetter, ausgelöst durch den Klimawandel, zunehmen werden. Wir brauchen entsprechende Katastrophenpläne und dürfen nicht zögern, die Menschen zu evakuieren. Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig“, sagt Tommy Bouchiba. „Wir müssen jetzt dringend eine sichere Lösung für die Zukunft finden – mit neuen Bauvorschriften und einer an den Klimawandel angepassten Infrastruktur.“
Mittel- und langfristige Unterstützung
Mindestens in den kommenden zwei Jahren – und wahrscheinlich noch viel länger – werden die Diakonie Katastrophenhilfe und die Diakonie RWL mit regionalen Teams vor Ort sein, um die Menschen in den Hochwasserregionen beim Wiederaufbau zu unterstützen. „Wir schauen dann gemeinsam, was die Versicherungen übernehmen, wo staatliche Hilfen beantragt werden und wo wir mit Spendengeldern aus dem Hochwasser-Fonds helfen können.“
Fast sechs Wochen ist die Hochwasserkatastrophe her. Allmählich geht die akute Soforthilfe in die mittel- und langfristige Unterstützung über. Die Diakonie Katastrophenhilfe und die Diakonie RWL passen ihre Hilfe an. Mobile Teams werden eingerichtet, die jeweils eine Region abdecken und Betroffene unterstützen. Dabei geht es vor allem um die die psycho-soziale Beratung, um Hilfe bei der Antragsstellung auf Katastrophenhilfe und um die baufachliche Begleitung.