ESSEN – Brav war Uta Ranke-Heinemann nie. „Ich sah immer schon das Haar in der Suppe, bevor es überhaupt reingefallen ist“, sagt die streitbare Theologin über sich selbst. Ihr Vater, der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann (1899-1976), attestierte ihr bereits als Kind „Rebellenblut“. Als erste Frau der Welt wurde Ranke-Heinemann 1970 Professorin für katholische Theologie. Als sie jedoch 1987 das Dogma der Jungfrauengeburt öffentlich anzweifelte und nicht klein beigab, wurde ihr die Lehrerlaubnis entzogen. Am 2. Oktober ist die unbeugsame Kirchenkritikerin 90 Jahre alt geworden.
Geboren wird Uta Heinemann 1927 in Essen, wo sie bis heute lebt. Ihr brillanter Geist zeigt sich bereits, als sie im Essener Burggymnasium ihr Abitur ablegt – mit Auszeichnung und als einziges Mädchen neben 800 Jungen. Uta wird evangelisch erzogen und studiert ab 1947 evangelische Theologie, bevor sie 1953 zum katholischen Glauben übertritt – aus Liebe zum katholischen Religionslehrer Edmund Ranke, mit dem sie sich schon in der Schule verlobt und den sie 1954 heiratet. Er ist das Glück ihres Lebens bis zu seinem Tod 2001, aus der Ehe gehen zwei Söhne und ein Enkel hervor.
Katholisch geworden aus Liebe
Nach ihrer Konversion legt Ranke-Heinemann zunächst eine Bilderbuchkarriere als Vorzeige-Katholikin hin: Sie studiert im Eiltempo in München gemeinsam mit dem späteren Papst Joseph Ratzinger katholische Theologie, promoviert 1954, habilitiert sich 1969 und wird ein Jahr später die erste katholische Theologieprofessorin der Welt. Zunächst lehrt sie an der Pädagogischen Hochschule in Neuss, ab 1980 an der Uni Duisburg und ab 1985 in Essen.
In der Folge entwickelt sich Ranke-Heinemann jedoch zur scharfen Kritikerin von Papst und katholischer Kirche. Sie verliert 1987 ihren Lehrstuhl für Neues Testament und Alte Kirchengeschichte, weil sie in einer Fernsehsendung aus dem Marienwallfahrtsort Kevelaer kurz vor dem Besuch von Papst Johannes Paul II. offen sagt, dass sie nicht an die Jungfrauengeburt glaubt.
Ein Paukenschlag ist ein Jahr später das Erscheinen ihres Hauptwerks „Eunuchen für das Himmelreich“, in dem sie der katholischen Kirche eine „2000-jährige Geschichte der Sexualitätsfeindlichkeit“ vorwirft. Das scharfzüngig und provokant geschriebene Buch, das schnell zum Bestseller wird, sei mutig und angesichts der Jahrzehnte später aufgedeckten Missbrauchsskandale in katholischen Einrichtungen auch sehr hellsichtig gewesen, sagt die Münsteraner Theologieprofessorin Marie-Theres Wacker rückblickend.
Ranke-Heinemann will sich nach Wackers Worten nicht mit theologischer Forschung begnügen, sondern in die Kirchenpolitik einmischen: „Sie ist eine Barrikadenkämpferin geworden, zunächst im Bereich der Friedenspolitik.“ Bemerkenswert seien auch Ranke-Heinemanns frühe Kritik am theologischen und kirchlichen Antijudaismus, ihr Bewusstsein für das Leiden anderer Menschen und ihre Vision von Gerechtigkeit. Während des Vietnamkriegs reist sie 1972 in den kommunistischen Norden und setzt sich für ein Ende der Kämpfe ein, in den 1980er Jahren engagiert sie sich für die Friedensbewegung.