„Wenn Staaten die Grundrechte ihrer Bürger einschränken, bremsen sie soziale und wirtschaftliche Entwicklung aus.“ Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von „Brot für die Welt“, kann ein Lied davon singen, welche Folgen es auch für ihre Organisation hat, wenn die internationalen Partner eingeschüchtert und bedroht werden.
Dass das in vielen Ländern Alltag ist, zeigt der aktuelle „Atlas der Zivilgesellschaft“ von „Brot für die Welt“ (siehe auch UK 8/2019, Seite 4). Die Daten basieren auf Erhebungen von CIVICUS, einem weltweiten Netzwerk für bürgerschaftliches Engagement, und verschiedenen anderen Quellen beispielweise zur Rede- oder Versammlungsfreiheit. CIVICUS kategorisiert die Freiheitsgrade einer Gesellschaft in fünf Kategorien: offen, eingeengt, beschränkt, unterdrückt und geschlossen.
Keine Freiheit: China und Saudi-Arabien
Danach ist in nur 22 Staaten der Welt der Handlungsraum der Zivilgesellschaft „offen“. In 64 Staaten, darunter auch einige aus der Europäischen Union, ist er „eingeengt“. 53 Staaten beschränken den Handlungsraum, unter ihnen auch Ungarn. Unterdrückt wird die Zivilgesellschaft in 34 Ländern, darunter Ägypten und Uganda. In 21 Staaten ist der Raum für zivilgesellschaftliche Akteure „geschlossen“, etwa in China, Saudi-Arabien und dem Sudan.
Dass diese Fakten nichts Gutes verheißen, liegt auf der Hand. Nicht nur für das Leben der Menschen in den betroffenen Ländern, sondern auch für die Enwicklungszusammenarbeit. Schließlich besteht eine sinnvolle solche Arbeit aus mehr als der Förderung von Wirtschaftsinvestitionen. Deren Einnahmen, so heißt es im Atlas der Zivilgesellschaft, flössen nämlich häufig in große Infrastrukturprojekte, die dem Abstransport von Gütern dienen und mit Umweltrisiken einhergehen. Außerdem, und das dürfte das gravierendere Problem sein, landeten sie häufig bei der herrschenden Klasse, die sie nicht für Gemeinwohlziele wie Bildung und Gesundheit, sondern für die „Interessenbefriedigung der eigenen Klientel oder zur militärischen Aufrüstung“ einsetze.
Deshalb braucht es die Zivilgesellschaft. Allein „Brot für die Welt“ arbeitet in 97 Ländern mit mehr als 1300 Partnerorganisationen zusammen. Und zwar, weil nur sie und ihre Mitarbeiter wissen, was in einem Land, einer Region gebraucht wird. Ausländische Organisationen wären kaum in vergleichbarer Weise fähig, das zu tun, was zivilgesellschaftliche Organisationen vor Ort leisten, um ein menschenwürdiges Leben für alle Bürgerinnen und Bürger eines Landes zu ermöglichen: zum Beispiel Strukturen von Hilfe und Selbsthilfe aufzubauen, die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen kritisch zu begleiten und soziale Spannungen abzufangen.
Auch die Vereinten Nationen sehen in einer freien Zivilgesellschaft die Basis für eine nachhaltige Entwicklung. Je offener eine Gesellschaft, desto besser stehen die Chancen, dass es sozial und wirtschaftlich vorangeht. So jedenfalls lautet die weitgehend anerkannte Einschätzung. Dabei haben die Vereinten Nationen vor allem die 17 so genannten Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), die weltweit bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden sollen, im Blick. Es geht um die Bekämpfung von Armut, Hunger, Umweltverschmutzung, geschlechtsspezifischen Ungleichheiten und der Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern.