Artikel teilen:

Die Kraft des Friedens suchen

In Tansania treffen sich die Kirchen der Welt, um über die Veränderungen in der Welt und die Rolle des christlichen Glaubens dabei zu diskutieren. Im Zentrum steht die Gemeinsamkeit

© epd-bild / Peter Williams

Vom 8. bis 13. März findet die Weltmissionskonferenz des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Arusha/Tansania statt. Konferenzen für Weltmission und Evangelisation gibt es seit 1910 etwa alle zehn Jahre. Das Thema der diesjährigen Konferenz lautet: „Moving in the spirit – called to transforming discipleship“. Als westfälische Teilnehmerin ist Annette Muhr-Nelson, Leiterin des Amtes für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe), dabei. Mit Anke von Legat sprach sie über ihre Erwartungen.

Das Thema heißt „Vom Geist bewegt – zu verwandelnder Nachfolge berufen“. Was genau ist gemeint?
Zum einen geht es um Bewegung. Die Ökumene versteht sich als eine Bewegung von Menschen, die vom Heiligen Geist inspiriert und mit ihm unterwegs sind. Das wird auch in der Idee vom Pilgerweg deutlich, der auf der letzten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im Jahr 2013 in Busan ausgerufen wurde: Wir sind als Glaubende in dieser Welt unterwegs, offen für das, was uns begegnet. Wir gehen dorthin, wo Leid ist, entdecken aber auch die Kraftquellen, die uns helfen, mit diesem Leid umzugehen. Wir glauben an Gottes Verheißung, dass er alles Leid überwunden hat und mit uns auf dem Weg ist.

Und der zweite Teil – die „verwandelnde Nachfolge“?
Da geht es um „Transformation“, also die Veränderung unserer Welt. Unser Wirtschaftssystem, unsere Kommunikationsformen, unsere Mobilität – all das verändert sich, muss sich auch verändern. Für uns heißt das: Wenn wir glauben, dass wir in der Nachfolge Jesu jetzt schon verwandelt sind, können wir auch zu diesen globalen Veränderungen etwas Positives beitragen. Wir können Anstöße geben und daran mitarbeiten, dass sich die verschiedenen Gesellschaften zum Besseren für alle Menschen wandeln.

Was passiert auf so einer großen internationalen Konferenz?
Da treffen sich Christinnen und Christen aller Konfessionen, feiern miteinander und lassen sich inspirieren – spüren einfach das Wirken des Heiligen Geistes. Sie kommen aus fast allen Ländern dieser Erde. Die Begeisterung nehmen sie mit nach Hause und leben sie dort in ihren Gemeinden, ihrem Umfeld und ihrer Gesellschaft. Das schafft Verbindung und verändert etwas – weltweit.
Konkret gibt es jeden Morgen eine Bibelarbeit mit Murmelgruppen und ein Plenum mit Vortrag und Diskussion.  Nachmittags arbeiten wir in Kleingruppen an ganz konkreten Herausforderungen: Armut, Hunger, zunehmende Gewalt, Frauenrechte. Außerdem gehen wir an einem Tag zu den Menschen vor Ort, lassen uns einladen in Gemeinden und Familien und erfahren, wie man im Nordosten Tansanias  lebt. Das weitet den Blick, stellt aber auch Anfragen an den eigenen Lebensstil.

Das klingt zunächst nach viel Reden und Hinsehen. Gibt es auch konkrete Folgen?
Natürlich, es geht ja um ganz brisante Themen. Als Kirchen verkörpern wir die Hoffnung des christlichen Glaubens, und darum erheben wir unsere Stimmen gegen Unrecht und Gewalt.  Wir beschäftigen uns mit den drängenden Problemen von heute – Terrorismus, Krieg, Flucht, Klimawandel, Korruption, fehlende Rechtsstaatlichkeit. Aber weil wir an den Auferstandenen glauben, bleiben wir nicht dabei stehen, sondern bekommen die Kraft, jetzt schon die Wirklichkeit zu verändern.

Gibt es bei so einem großen Treffen auch Konflikte?
Sicherlich gibt es unterschiedliche Frömmigkeitsstile und Ausrichtungen, etwa bei der Stellung zur Frauenordination oder zur Homosexualität. Ich habe aber den Eindruck, dass diese Diskussionen in den Hintergrund treten angesichts drängenderer Fragen: Wie können wir uns für den Frieden in der Welt einsetzen, wie gegen Hunger und Gewalt angehen? Beim Bibelstudium und den Gesprächen wird deutlich: Wir haben eine gemeinsame Grundlage und ergänzen uns in unserer Unterschiedlichkeit. Die Friedenskraft der Religionen steht im Mittelpunkt.

Die erste Weltmissionskonferenz fand vor über 100 Jahren, im Jahr 1910, in Edinburgh statt. Was hat sich seitdem verändert?
Die Zusammensetzung ist ganz anders geworden: Damals war die Konferenz von weißen Männern der westlichen Welt geprägt; Frauen und Kirchenvertreter aus dem Süden kamen kaum vor. Inzwischen liegt der Schwerpunkt des Christentums in Afrika und den südlichen Ländern. Hier wachsen die Kirchen, vor allem die Pfingstkirchen. Das hat auch die Inhalte verändert. Es geht nicht um eine Konkurrenz zwischen den Konfessionen und Kirchen, sondern darum, voneinander zu lernen, wie wir gemeinsam die Frage nach Gott wachhalten und der Welt bezeugen können, was Gottes Wille ist.