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Im Krisenmodus: Kirchen haben 2024 kaum Grund zum Feiern

Gestern am Abgrund, heute einen Schritt weiter: Die beiden großen Kirchen werden auch im kommenden Jahr mit Missbrauchskrise und Mitgliederschwund kämpfen. Und dann gibt es da noch einen Zwist.

Kirche im Krisenmodus
Kirche im KrisenmodusImago / Wolfgang Maria Weber

Bei der Aufarbeitung von Missbrauch segelte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) lange im Windschatten der katholischen Kirche. Dass auch auf die Protestanten noch eine Menge Arbeit wartet, legte spätestens der Rücktritt der EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus vor wenigen Wochen nahe. Am 25. Januar sollen die Ergebnisse der ersten EKD-weiten Missbrauchsstudie externer Wissenschaftler vorgestellt werden. Das Thema lässt die Kirchen also auch im Jahr 2024 nicht los.

In der katholischen Kirche laufen ebenfalls weitere Studien, die vermutlich neue Erkenntnisse über Täter und das Versagen von Kirchenleitungen liefern. Erwartet werden zudem neue Klagen von Missbrauchsbetroffenen auf Schmerzensgeld in sechsstelliger Höhe. Die Tür dafür geöffnet hatte im Sommer das Erzbistum Köln, als es in einem Fall, in dem es zu einer Zahlung von 300.000 Euro verurteilt wurde, auf die Einrede der Verjährung verzichtet hatte.

Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln als Sinnbild der Krise

Vor Jahren machte Kardinal Rainer Maria Woelki sich noch vor allem als Verteidiger der Rechte von Flüchtlingen einen Namen. Inzwischen steht der Erzbischof häufiger wegen seiner juristischen Auseinandersetzungen mit der Bild-Zeitung in den Schlagzeilen; 2024 wird das weitergehen. Daneben verfolgt der Kardinal unbeirrt den Aufbau einer Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) – und liefert damit nach Ansicht von Kritikern ein Beispiel dafür, wie sehr sich die Kirche von den Bedürfnissen der Menschen vor Ort entfernt habe.

Ausgerechnet das Projekt, mit dem die katholische Kirche für neues Vertrauen in der Gesellschaft werben wollte, steckt in einer Sackgasse. Unter dem Eindruck des Missbrauchsskandals hatten die deutschen Bischöfe zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) 2019 das Reformprojekt Synodaler Weg gestartet. Nun ist geplant, die Beratungen über Macht, Rolle der Frau, Sexualmoral und priesterliches Leben in einem Synodalen Rat fortzusetzen. Vorbereiten soll dieses Gremium ein Synodaler Ausschuss, dessen nächste Zusammenkunft für den 14. und 15. Juni in Mainz angesetzt ist.

Doch vier Bischöfe haben bereits angekündigt, sich an dem Verfahren bis auf Weiteres nicht zu beteiligen. Gregor Maria Hanke (Eichstätt), Stefan Oster (Passau), Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Kardinal Woelki verweisen auf die Haltung des Vatikans. Von dort gab es zuletzt zwei Schreiben. Sie formulierten noch einmal die grundsätzlichen Vorbehalte gegenüber den im Rahmen des deutschen Reformdialogs beschlossenen Schritten, “mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen”.

Katholikentag vom 29. Mai bis 2. Juni in Erfurt

Auf ihrer Frühjahrsvollversammlung vom 19. bis 22. Februar in Augsburg müssen die Bischöfe der Satzung des Synodalen Ausschusses zustimmen, wenn das Projekt nicht platzen soll. Dann geht die Diskussion in die nächste Runde – während im Vatikan Papst Franziskus mit der von ihm einberufenen Weltsynode eine eigene Dynamik in Gang gesetzt hat, die auch Auswirkungen auf die Debatte in Deutschland haben wird. Welche das sind, wird die abschließende Bischofssynode im Herbst in Rom zeigen, an der natürlich auch Vertreter aus Deutschland teilnehmen.

Viel Redebedarf – und kaum Grund zum Feiern. Am ehesten könnte das der Fall sein beim Katholikentag vom 29. Mai bis 2. Juni in Erfurt. Die Veranstalter rechnen mit rund 20.000 Teilnehmenden aus ganz Deutschland. Bleiben personelle Fragen. Von den zwischenzeitlich vier offenen Bischofsstühlen sind nur noch zwei unbesetzt: Osnabrück und Stuttgart. Für Paderborn und Bamberg ernannte der Papst unlängst in einem ungewöhnlichen Schritt zeitgleich zwei neue Erzbischöfe.

EKD wählt im Herbst neue Ratsvorsitzende oder neuen Ratsvorsitzenden

Die Evangelische Kirche in Deutschland will wahrscheinlich im Herbst eine neue Ratsvorsitzende oder einen neuen Ratsvorsitzenden wählen. Interims-Amtsinhaberin Kirsten Fehrs werden gute Chancen eingeräumt. Über Vorgängerin Kurschus hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing gesagt, mit ihrem Rücktritt habe der ökumenische Motor im Land einen wesentlichen Antrieb verloren. Auch das gehört zum Ausblick für 2024: Die Kirchen finden in der Gesellschaft noch am ehesten Gehör, wenn sie gemeinsam auftreten.