Drei Umzugskisten sind noch in einer Ecke gestapelt. Sie sind das einzige Zeichen dafür, dass Arne Kupke das Büro des juristischen Vizepräsidenten der Evangelischen Kirche von Westfalen vor noch nicht allzu langer Zeit bezogen hat. Die ersten 100 Tage im neuen Amt sind erstaunlich schnell vorübergegangen, meint der 45-jährige Jurist. Zeit für einige Fragen an den Finanzchef der westfälischen Kirche, gestellt von Anke von Legat.
Die wichtigste Frage an einen kirchlichen Finanzfachmann zuerst: Wie fließen die Kirchensteuern?
Wie in den vergangenen Jahren schon: gut, parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Ich würde von einer grundsoliden Steigerung sprechen. Die Schätzung aus dem vergangenen Jahr von 465 Millionen Euro wird wieder übertroffen werden – wenn die Rahmenbedingungen bis Jahresende gleich bleiben.
Was wird mit diesem Überschuss geschehen?
Ebenfalls wie in den vergangenen Jahren wird er nach einem Vorwegabzug für aktuelle Fragestellungen zur Hälfte in die Rücklage der Versorgungskasse gehen, und die andere Hälfte wird an die Kirchenkreise und Gemeinden ausgeschüttet.
In absehbarer Zeit werden die Kirchensteuern trotzdem deutlich zurückgehen, weil die Gemeindeglieder immer weniger werden. Was dann?
Wir werden weitere Arbeitsbereiche verkleinern oder aufgeben müssen. Anders geht es nicht. Vieles, was wir zu Zeiten hoher Einnahmen aufgebaut haben, war sinnvoll und gut, aber jetzt müssen wir uns auf unsere Kernaufgaben besinnen. Zum Glück haben wir durch die gute Wirtschaftslage deutlich mehr Zeit als befürchtet und können den notwendigen Rückbau ebenso überlegt gestalten wie punktuellen Aufbau.
Viele Presbyterien klagen darüber, dass sie schon so viel gespart haben …
Ja, viele haben da wirklich gute Arbeit gemacht. Je längerfristig geplant wurde, desto mehr Luft ist jetzt für den Alltag des Gemeindelebens, der ohnehin genug Herausforderungen hat. Meiner Einschätzung nach ist mittlerweile wieder die landeskirchliche Ebene an der Reihe, erneut über Einsparungen nachzudenken, auch weil sie eine Vorbildfunktion hat.
Gibt es eigentlich Überlegungen für den Fall, dass das Kirchensteuersystem irgendwann nicht mehr aufrechterhalten werden kann?
Natürlich denken die Kirchensteuerexperten in Deutschland auch darüber nach. In größeren Abständen, aber intensiv und übrigens immer auch im ökumenischen Austausch. Ich selber halte nach wie vor die Kirchensteuer für die beste Form der Kirchenfinanzierung, weil sie die gerechteste ist: Alle werden nach der Höhe ihres Einkommens herangezogen oder eben ganz verschont. Wir können froh und dankbar sein über unsere Kirchensteuerzahler, die damit ein bewusstes Ja zu unserer Kirche sagen. Trotzdem müssen wir alternative Ideen fördern. Daher möchte ich zum Beispiel das Fundraising stärken.
Wäre eine Kultursteuer wie in Italien eine Alternative, bei der jeder Steuerzahler selbst den Verwendungszweck bestimmen kann?
Das halte ich für keine gute Idee, weil wir uns da als Glaubensgemeinschaft in einen unguten Konkurrenzkampf begeben müssen. Außerdem vergrößert eine solche staatliche Steuer die Abhängigkeit vom Staat. Da wäre ich eher für Mitgliedsbeiträge nach amerikanischem Modell.
Stichwort Versorgungskasse: Die Rücklagen, die für die Altersbezüge der Pfarrerinnen und Pfarrer und der sonstigen kirchlichen Mitarbeitenden gebildet werden, müssen auf dem Kapitalmarkt angelegt werden. Ist das beim derzeitigen Niedrigzins nicht schwierig?
Es wird zunehmend schwieriger. Bei der Zusatzversorgungskasse für kirchliche Angestellte merken wir es schon, denn das hereinkommende Geld muss ständig neu angelegt werden. Die Pensionskasse für Pfarrerinnen und Pfarrer beruht im Moment noch vor allem auf langfristigen Anlagen. Aber auch diese werden in den nächsten Jahren nach und nach frei. Und weil kein Ende des Zinstiefes abzusehen ist, müssen wir in naher Zukunft mit geringeren Erträgen rechnen.
Was heißt das?
Das heißt, dass wir weniger Geld aus Zinserträgen in den Versorgungskassen haben als geplant. Die Lücke werden wir mit anderen Einnahmen decken müssen. Dieses Thema wird voraussichtlich 2017 auf der Landessynode ein Schwerpunkt sein müssen.
Eine Ihrer weiteren Aufgaben wird die Einführung der kaufmännischen Buchführung in allen westfälischen Kirchenkreisen sein. Seit 2011 arbeiten bereits drei Pilot-Kirchenkreise mit diesem System. Welche Vorteile hat es gegenüber der bisher üblichen Kameralistik?
Der große Vorteil ist in meinen Augen, dass man mit NKF, dem Neuen Kirchlichen Finanzmanagement, eine bessere Übersicht über die Finanzen bekommt. Bisher dachte man in Haushaltsplänen, also jeweils bis zum 31.12. eines Jahres. Dann kam ein neuer Etat und eine neuer Haushaltsplan. Die kaufmännische Buchführung zeigt dagegen, was ein Posten langfristig kostet – ein Küstergehalt, ein Kindergartenausbau oder eine neue Orgel. Auch Risiken werden besser dargestellt. Wenn ich das weiß, kann ich auch besser bewerten, in welche Bereiche mein Geld fließen soll.
Viele Pfarrerinnen und Pfarrer, aber auch Ehrenamtliche waren skeptisch, dass ihre Arbeit in Euro und Cent bewertet werden soll …
Von dieser kleinteiligen Aufteilung sind wir inzwischen ganz abgekommen. Natürlich kann man nicht in Geldbeträgen ausdrücken, wieviel ein Gottesdienst wert ist oder ein Seelsorgegespräch. Andererseits laufen wir aber auch Gefahr, die Kosten zu vernachlässigen. Es kostet nun mal Geld, Pfarrer und Kirchenmusiker zu bezahlen und ein Kirchengebäude zu unterhalten. Da müssen wir handhabbare Lösungen finden. Und wir müssen uns eingestehen, dass wir in einer kapitalistischen Gesellschaft leben. Schon in der Bibel wird über Geld- und Machtfragen nachgedacht. Darum kommen wir als Kirche in der Welt nicht herum.
Eine Frage zum Schluss: Der große jährliche Auftritt des juristischen Vizepräsidenten ist die Haushaltsrede vor der Landessynode im November. Haben Sie schon mit der Vorbereitung angefangen?
Ganz ehrlich: Ich habe großen Respekt vor dieser Rede. Und: Ja, ich habe mir schon eine Mappe mit Ideen angelegt. Ob ich mit einem Bibelwort oder Zitat beginne, wie das mein Vorgänger Klaus Winterhoff zur Tradition gemacht hat, weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall werde ich einige Punkte des Haushalts exemplarisch ausführlicher darstellen und andere dafür weglassen. Und ich werde bis kurz davor an den Formulierungen sitzen. Das ist eine Typ-Frage – ich brauche die zeitliche Nähe zum Vortragsgeschehen.