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Der Wille ist da – Gemeinden gefordert

Fast die Hälfte der 31 Millionen Ehrenamtlichen ist Kirchenmitglied. Aber: Trotz aller Bereitschaft ist es für Benachteiligte schwerer, sich einzubringen. Stadtteil-Projekt eröffnet Chancen

Aktuell erscheint die kirchliche Sonderauswertung des aktuellen Freiwilligensurveys, erstellt vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der deutsche Freiwilligensurvey ist eine repräsentative Befragung zum freiwilligen Engagement in Deutschland, die seit 1999 alle fünf Jahre durchgeführt wird.
Grundlegendes Ergebnis ist, dass die Zahl der Engagierten mit nun 31 Millionen weiter gestiegen ist. Und dies ohne Berücksichtigung des großen Zuwachses in der Arbeit mit Geflüchteten infolge der großen Fluchtbewegungen 2015, denn die analysierten Daten stammen aus dem Jahr 2014.
Auffällig ist auch, dass die Befragten, die Mitglied in einer christlichen Kirche waren, sich mit einem Anteil von rund 49 Prozent deutlich häufiger ehrenamtlich engagieren als Konfessionslose mit 36,2 Prozent. Dies kann an unterschiedlichen Werten und Weltanschauungen liegen, die zu mehr oder weniger starkem gesellschaftlichen Engagement führen. Ein wichtiger Grund ist aber mit Sicherheit, dass die Kirchen Möglichkeiten und Räume bieten, sich zu engagieren. Sie sind in allen Gemeinden Deutschlands direkt vor Ort aktiv und dies nicht nur im religiösen, sondern auch im karitativen Bereich und in der Bildungsarbeit.
Wie für viele Bereiche unserer Gesellschaft, zum Beispiel für den Sport und die Kultur, ist das Ehrenamt auch in der Kirche ein zentrales Element. Es ist fest in den Strukturen und Organisationsformen verankert und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für Einzelne ermöglicht das freiwillige Engagement soziale Integration und das Mitgestalten der Gesellschaft. Dies wirkt sich positiv auf das eigene Wohlbefinden und die Weiterentwicklung der persönlichen Fähigkeiten aus. Eine Win-win-Situation: Die Gemeinschaft profitiert durch ein hohes Maß an unentgeltlicher Arbeit und dem Vertrauen in sie. Die Engagierten verbuchen die gesellschaftliche Teilhabe für sich.
Die hohe Bereitschaft, sich einzubringen, ist stabil. Insbesondere die Kirchen bieten hier eine große Vielfalt von Aufgaben für jedes Alter. Doch schaut man sich die Quote des Engagements der verschiedenen Bevölkerungsgruppen an, wird deutlich, dass höher Gebildete sich eher und häufiger engagieren. Menschen mit geringer Bildung und niedrigem Einkommen finden, trotz der Bereitschaft zum Engagement, weniger Zugänge zum Ehrenamt. Sie haben keine Chance auf Teilhabe und Einbindung. Schon nach dem Freiwilligensurvey 1999 stellte der damalige Vizepräsident der EKD-Synode, Klaus Eberl, fest, „Arbeitslosigkeit und Armut sind Gift für das Ehrenamt“.
Für Benachteiligte ist vor allem das eigene Stadtviertel entscheidender Einstiegsort zum Ehrenamt. Hier braucht es Strukturen und Netzwerke, die Engagement ermöglichen. Diese bieten die Kirchengemeinden häufig schon. Doch es ist eine wichtige kirchliche Aufgabe für die Zukunft, diese Angebote zu stabilisieren und zu stärken.
Das ist auch ein Ziel des Projekts „Nachhaltigkeit nimmt Quartier“ des Instituts für Kirche und Gesellschaft. Es wird den Menschen vor Ort die notwendige Struktur gegeben, um ihr Quartier nach eigenen Vorstellungen und mit ihren Fähigkeiten umzugestalten und lebenswerter zu machen. Es werden keine Maßnahmen von höherer Stelle verordnet und aufgezwungen, sondern die Bewohnerinnen gestalten die Zukunft ihres Viertels selbst. So wird gesellschaftliche Teilhabe durch Engagement ermöglicht und Hilfsbereitschaft, politisches Interesse und Integration gefördert.
Kirchengemeinden leisten hier viel und sind oft stabilisierende Elemente in benachteiligten Stadtteilen. Doch die schwindende Zahl von Kirchenmitgliedern und die schrumpfenden finanziellen Mittel stellen sie vor große Herausforderungen. Um weiterhin Raum und Gelegenheit für ehrenamtliches Engagement zu schaffen, ist es wichtig, Gemeindeentwicklung und Ehrenamtsentwicklung im Zusammenhang zu sehen.