Bei der Parade zum Christopher Street Day (CSD) dabei sein zu können, bedeutet Domenika Dajana Diva Pawlowski viel. „Zu zeigen, dass es in Deutschland erlaubt ist, eine lesbische Frau, ein schwuler Mann oder transsexuell zu sein.“ Auch als Mensch mit Behinderung sei das wichtig, sagt die Frau im Rollstuhl energisch. „Behinderte Menschen haben auch diese Gefühle und wollen das zeigen“, betont Pawlowski. Sie freut sich, am Sonnabend (3. August) beim CSD zu sich stehen und das mit anderen feiern zu können.
Zum ersten Mal ist die Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA) mit einem eigenen Truck beim CSD in Hamburg dabei. Das passe gut zusammen, denn das Anliegen des CSD sei auch ein Anliegen der Stiftung: „Der CSD steht für Vielfalt und dafür, dass Menschen sich zeigen können, so wie sie sind, ohne ständig Rücksicht darauf nehmen zu müssen, was von anderer Seite erwartet wird, und ob sie sich damit wohlfühlen, was von ihnen erwartet wird“, sagt Christian Möring. Er ist Pastor und Seelsorger im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf.
„Vielfalt macht stark – davon sind wir als Evangelische Stiftung Alsterdorf überzeugt und dafür stehen wir“, sagt auch der Vorstandsvorsitzende der ESA, Pastor Uwe Mletzko. Vielfalt zu stärken, sei für die Stiftung ein grundsätzliches Thema. „Deshalb haben wir als Unternehmen auch die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Mit einem eigenen, inklusiven Truck beim CSD wird das sichtbar und erlebbar.“
Dabei gehe es nicht nur um Teilhabe und Inklusion, sagt Möring. „Sexuelle Selbstbestimmung ist für Menschen mit Behinderung, soweit ich weiß, ein Thema, das erst in den letzten Jahrzehnten entdeckt wurde. Es gab in der Bundesrepublik Ende des 20. Jahrhunderts immer noch viele Vorgaben oder viele Ideen davon, dass Menschen mit Behinderung eigentlich gar keine Sexualität haben“, erklärt der Seelsorger. Die Erkenntnis, dass das anders sei, und die Möglichkeiten, diese Sexualität nun für sich selbst zu entdecken, könnten gar nicht genug gefeiert werden. „Diese ganze Energie, die da drinsteckt, die Lust zum Leben.“
Allen Menschen zeigen zu können, wie sie fühlt, darum gehe es Domenika Pawlowski. „Damit die Welt versteht, was das für ein Gefühl ist.“ Denn es gebe eben nicht nur das eine Programm: Mann und Frau. „Wenn eine Frau eine Frau liebt, kommt das von Herzen. Wenn ein Mann einen Mann liebt, kommt das von Herzen. Genau wie alle Transsexuellen von Herzen lieben.“
Domenika Pawlowski bezeichnet sich selbst als Frau, fühle sich aber „ein bisschen dazwischen“, sagt sie. Sie möchte eine „richtige Frau“ sein, doch aufgrund ihrer Krankheit sei eine geschlechtsangleichende Operation den Ärzten zufolge schwierig, erklärt sie. Dennoch lebe sie ihr Leben.
Dass auch Menschen mit Assistenzbedarf sich der queeren Szene zuordnen, diese Verbindung sei lange nicht gezogen worden, sagt Möring. „Uns ist es wichtig, dass das eben auch ein Teil von dem ist, wofür wir stehen. Dass Menschen mit Behinderung ihre Sexualität leben können, auch in queeren Zusammenhängen.“
Was Toleranz und Vielfalt betreffe, habe die queere Community schon sehr viel erreicht, auch politisch, glaubt der Pastor. „Mein Eindruck ist, in den persönlichen Kontakten, da braucht es deutlich mehr Toleranz.“ Das erlebe er sowohl im Gespräch mit Menschen aus der queeren Szene als auch in seiner Arbeit als Krankenhausseelsorger, wenn es um Menschen mit psychischen Erkrankungen, Suchtthematiken oder um alte Menschen gehe. „In dem Moment, wo es persönlich wird, da ist Toleranz schwer für andere. Ich denke, Toleranz wäre was, was sowohl den Zusammenhalt stärken würde, als auch die Möglichkeit, mit dem eigenen Leben klarzukommen.“
Beim CSD zu zeigen, dass Menschen sehr unterschiedlich und trotzdem vereint sein können, das möchte Domenika Pawlowski gemeinsam mit vielen anderen auf dem ESA-Truck. „Im Fußball haben alle Länder ihre eigenen Farben, Parteien haben unterschiedliche Logos, aber der Regenbogen ist für alle Menschen da.“