Unter Islamismus versteht die Wissenschaft eine Ideologie, die nicht nur das Privatleben der Menschen, sondern auch Gesellschaft und Staat nach den Regeln des Koran und der Sunna, also der überlieferten Tradition des Propheten Mohammed, ausrichten will. „Damit erheben Islamisten den Anspruch, die gesamte Gesellschaft zu islamisieren“, sagt der Osnabrücker Islamwissenschaftler Michael Kiefer.
Innerhalb des Islamismus existieren verschiedene Strömungen. Der legalistische Islamismus versuche, seine Ziele mit legalen Mitteln zu erreichen, etwa wie in der Türkei. Dort habe die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Islamisierung der Gesellschaft vorangetrieben, unterstreicht Kiefer.
Der terroristische Islamismus oder auch Dschihadismus will laut Kiefer hingegen mit Gewalt eine islamische Ordnung erzwingen. Dschihadisten gehen davon aus, dass Muslime die Pflicht haben, gegen Regime zu kämpfen, die den Islam unterdrücken, erläutert der Professor vom Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. Der Unterdrückungsbegriff werde dabei weit gefasst. Zu den dschihadistischen Bewegungen zählen sowohl Al-Qaida als auch der Islamische Staat.
Der Salafismus ist eine weitere Strömung des Islamismus. Salafisten wollten so leben, wie die ersten Gefährten des Propheten Mohammed laut den Überlieferungen gelebt haben. Sie hingen einer rückwärtsgewandten Utopie an. Die puristischen Salafisten lehnten Politik grundsätzlich ab und zögen sich ins Private zurück.
Die politischen oder dschihadistischen Salafisten hingegen wollten mit Gewalt einen Staat errichten, das sich an der islamischen Gesellschaft in den ersten Jahrzehnten nach der Erscheinung des Propheten orientiert. Genau das habe die Terrororganisation Islamischer Staat mit der Errichtung des Kalifats versucht, sagt Kiefer.
Mit Anschlägen in Deutschland und Europa verfolgen Islamisten in der Regel das Ziel, die Gesellschaften zu destabilisieren und zu polarisieren, erläutert Kiefer. Das gelinge ihnen häufig auch. Der Islamwissenschaftler geht davon aus, „dass uns der Terror noch eine Weile beschäftigen wird“.