Artikel teilen:

Der Mann, der 1918 den Waffenstillstand mit Frankreich unterschrieb

Eine steile politische Karriere war Matthias Erzberger nicht in die Wiege gelegt, als er vor 150 Jahren, am 20. September 1875, im Dorf Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb geboren wurde, An den Zentrumspolitiker, der die Verträge zum Ende des Ersten Weltkrieges unterzeichnete und deswegen 1921 von deutschnationalen Attentätern ermordet wurde, erinnert an diesem Wochenende ein „Demokratiefest“, bei dem auch das Geburtshaus Erzbergers mit einbezogen wird.

Erzbergers Vater Josef, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte, konnte in Buttenhausen als Schneider und einer Art selbständiger Postbote zumindest eine gesicherte Existenz für seine Familie aufbauen. Matthias Erzberger wuchs mit fünf Geschwistern in einem bescheidenen Haus auf, in unmittelbarer Nähe des jüdischen Friedhofs und der Synagoge.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte Buttenhausen, das heute zu Münsingen (Landkreis Reutlingen) gehört, eine alteingesessene jüdische Gemeinde mit 800 Mitgliedern. Diese jüdische Tradition in Buttenhausen nutzten die politischen Gegner Erzbergers zur Verleumdung, er sei „zumindest Halbjude“ gewesen. Dabei waren die Erzbergers streng katholisch, was den jungen Matthias von vornherein in eine Sonderrolle brachte, denn die andere Hälfte der Buttenhausener Einwohner war protestantisch.

In der Schule fiel der intelligente und ehrgeizige Junge seinen Lehrern auf. Sie überredeten den Vater, dass sein Sohn nicht wie üblich Handwerker, sondern Lehrer werden solle. Bereits mit 16 Jahren zog Erzberger 1891 in das Lehrerseminar in Saulgau ein. Wegen hervorragender Leistungen konnte die Ausbildungszeit sogar von drei auf zwei Jahre reduziert werden.

So recht zufrieden war Erzberger mit dem nüchternen und festgefügten Dienst eines Lehrers jedoch nicht. Er war eher interessiert an sozialen Fragen, der Politik und dem Journalismus. Seine Standhaftigkeit und rhetorische Begabung zeigten sich bereits 1895, als der junge Erzberger sich bei einer Wahlkampfveranstaltung in einem Saulgauer Gasthaus eine heftige verbale Auseinandersetzung mit dem renommierten Reichstagsabgeordneten Conrad Haußmann lieferte.

Ein entscheidender Wendepunkt war für den jungen Lehrer 1896 die Begegnung mit Josef Eckard, dem Chefredakteur des Deutschen Volksblattes (Stuttgart). Eckard stellte ihm eine Stelle als Redakteur in Aussicht, worauf Erzberger sofort den Schuldienst quittierte. Neben der Redaktionsarbeit war Erzberger in ganz Württemberg unterwegs bei Informationsveranstaltungen zu Sozial- und Krankenversicherungen für Arbeiter.

Bei einer dieser Veranstaltungen begegnete er dem Reichstagsabgeordneten Adolf Gröber, einem führenden Politiker der katholisch geprägtem, liberal-konservativen Zentrumspartei. Gröber gab der politischen Karriere Erzbergers den entscheidenden Schub und verschaffte ihm die Kandidatur für das Zentrum bei der Reichstagswahl 1903. Im katholisch geprägten ländlichen Wahlkreis Biberach-Leutkirch-Wangen fuhr Erzberger ein phänomenales Ergebnis ein: Er kam auf über 16.500 Stimmen, sein Gegenkandidat auf etwas über 350.

Inzwischen hatte Erzberger geheiratet. Seine Frau Paula stammte aus einer begüterten Kaufmannsfamilie, ihr Erbe von 50.000 Mark erleichterte den Umzug nach Berlin. Neben der Politik, in die sich Erzberger mit Leidenschaft und häufigen 16-Stunden-Arbeitstagen stürzte, blieb er auch dem Journalismus verbunden. Erzberger kaufte die kleine katholische Nachrichtenagentur „Korrespondent für die Zentrumspresse“, für die er selbst die Nachrichten aus dem politischen Berlin verfasste. Dadurch sei Erzberger zu „einem der ersten Medienpolitiker“ geworden, so Benjamin Dürr in seiner Biografie.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs vertrat auch Erzberger die patriotische Linie, die den Krieg nötig und gerechtfertigt sah und auf einen vollständigen deutschen Sieg setzte. Die furchtbaren Eskalationen der Kampfhandlungen brachten Erzberger jedoch zur Einsicht, dass ein Ende des Krieges nur durch Verträge und einen „Verständigungsfrieden“ möglich sei.

Deshalb erklärte er sich auch bereit, den schweren Weg zu den Kapitulationsverhandlungen mit Frankreich zu gehen. Er leitete die deutsche Delegation, die am 11. November 1918 den Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnete. Auch unterstützte er die Annahme des späteren Versailler Vertrages. Da dieser den Deutschen große Reparationen und Gebietsabtretungen auferlegte, stieß er vor allem bei deutschnationalen Kreisen auf strikte Ablehnung.

Erzberger geriet wegen seiner Unterzeichnung des Vertrags ins Fadenkreuz der Rechtsterrorristen und wurde am 26. August 1921 bei einem Spaziergang im Schwarzwald von Heinrich Tillessen und Heinrich Schulze, Mitglieder der rechtsradikalen „Organisation Consul“, erschossen. Beerdigt wurde Matthias Erzberger am 31. August in Biberach. In ganz Deutschland trauerten Zehntausende um diesen Repräsentanten der demokratischen Weimarer Republik, eine halbe Million Menschen bildeten den Trauerzug in Berlin, in Fabriken standen die Bänder still.

Das Geburtshaus Erzbergers in Buttenhausen ist inzwischen in eine Erinnerungsstätte für einen „Wegbereiter der deutschen Demokratie“ umgewandelt worden. Eine Dauerausstellung des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg führt mit elf Stationen durch das Leben und Wirken des Politikers. (2314/17.09.2025)